Einer der dramatischsten Fälle der ungarischen Kriminalgeschichte in der Nachkriegszeit ist zu Ende. Das oberste Gericht Ungarns verurteilte am 12. Januar 2016 in letzter Instanz drei Männer zu verschärften lebenslangen Haftstrafen*, das heißt, bis zu deren Lebensende. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Richter sahen es als erwiesen, dass die Täter in den Jahren 2008 und 2009 in neun verschiedenen Dörfern Roma-Familien überfielen. Sie töteten dabei ein Kind, sechs Erwachsene und verletzten fünf weitere Menschen schwer. Der Fahrer der Gruppe bei den letzten beiden Straftaten wurde zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt. Der Beweggrund der Täter: ihre Neonazi-Gesinnung und der pure Hass auf Roma. 

Es war ein langer, schwieriger Prozess. Denn bereits die ersten Ermittlungen wurden schlampig geführt: Stammten die Verletzungen von Schusswaffen oder von Nägeln? Wurde der Brand, der den Tod des einen Opfers verursachte, nicht doch durch einen kaputten Kocher verursacht? Ein Polizist urinierte auf Spuren vor einem Haus, in dem ein Roma erschossen wurde. Vor Gericht sagte er, irgendwo habe er sich doch erleichtern müssen. 
Die Verdächtigten waren bei den Verhandlungen gut informiert über ihre Rechte, leugneten die Taten, benahmen sich höflich. Ihre Anwälte nutzten die ungenauen Polizeiberichte. Die Roma-Zeugen dagegen weinten, wenn sie sprechen konnten, fluchten, fielen den Verteidigern ins Wort, wurden vom Richter verwarnt und bei Wiederholung zu Geldstrafen verurteilt. Bei den Revisions-Verhandlungen entdeckten die Verteidiger Formfehler, deshalb musste der Fall vorm Obersten Gerichtshof neu verhandelt werden.
Immerhin: Nach den letzten Urteilen – acht Jahre nach den ersten Verbrechen – sind die Überlebenden der Opferfamilien einigermaßen beruhigt. Die Täter können ihnen nichts mehr antun.
 
* In Deutschland endet „lebenslänglich“ frühestens nach 15 Jahren. Anschließend ist es möglich, Sicherungsverwahrung anzuordnen.
Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de.