Stadtspaziergang diesmal: Cluny, Frankreich

Die meisten Besucher kommen entweder wegen der berühmten Pferdezucht oder wegen der riesigen Abtei, die im Mittelalter als Zentrum des geistlichen Lebens in Europa galt. Die Pferde hat Cluny, eine Kleinstadt von knapp 5000 Einwohnern 90 km nördlich von Lyon, Kaiser Napoleon zu verdanken. Der nämlich beschloss 1806, dass er für seine Kriegszüge mehr Pferde an verschiedenen Standorten brauchte. Und so kann man bis heute wunderschöne Tiere – Vollblüter, Ponys und Zugpferde – in den 200 Jahre alten Ställen des Nationalgestüts bewundern.
Für die Ställe ließ Napoleon übrigens Teile der Abtei, die 910 von Wilhelm dem Frommen, Herzog von Aquitanien und Graf von Macon, gegründet worden war, abreißen. In unserer Zeit kann man von der durch die Jahrhunderte immer wieder erweiterten Kloster-Anlage nur noch den kleineren Teil besichtigen. Die letzte Messe, die in der Abteikirche von zwölf Mönchen gefeiert wurde, fand am 25. Oktober 1791 statt, danach fielen große Teile den Wirren der Französischen Revolution zum Opfer. 1866 stellte man dann die kläglichen Überreste unter Denkmalschutz.
Dass die Abtei heute überhaupt noch sehenswert ist, verdankt Cluny vor allem dem amerikanischen Archäologen Kenneth John Conant, der ab 1928 umfangreiche Grabungen durchführte und die Anlage rekonstruieren und so für die Nachwelt wenigstens teilweise erhalten konnte.
Nach so viel heiligen Stätten und historischen Erkundungen kann man sich gleich gegenüber des Eingangs zur Abtei auf der großen Terrasse der „Brasserie du Nord“ niederlassen und ein kräftiges Boeuf Bourguignon und anschließend einen Café au lait zu sich nehmen und dabei die Touristen bestaunen, die in Shorts und Sandalen die Abtei entern wollen.
Falls Sie jetzt noch nicht wissen, wo Sie die nächste Nacht verbringen werden, das Hotel de Bourgogne, gebaut 1817, genau gegenüber ist sehr zu empfehlen. Schlichte Zimmer, ein schöner Garten, ein reichhaltiges Frühstück und des nachts absolute Stille sind garantiert.
Der kleine Ort Cluny hat noch mehr Sehenswertes zu bieten: Den Käseturm zum Beispiel, der angeblich auch mal Bohnenturm hieß, weil vor dem Käse dort Bohnen gelagert wurden. Aber eigentlich gehörte er zu den Wehrtürmen der Abtei und stammt im unteren Teil tatsächlich noch aus dem 11. Jahrhundert. 1944 wurde er durch Bombenangriffe schwer beschädigt, später aber restauriert, und jetzt kann man die 120 Stufen hinaufsteigen und den großartigen Blick über die Abtei, das Städtchen, den Fluss Grosne und die sanften Weinberge rundherum genießen.
Nach der Turmbesteigung sollte man noch ein wenig durch die mittelalterlichen Gassen schweifen, die Kirche Notre Dame, die vielen Brunnen und das „Hotel Dieu“ , das Krankenhaus von 1625, und die schönen alten Fassaden anschauen. In der Rue Lamartine gibt es einige charmante kleine Geschäfte mit geflochtenen Körben, lustigen Postkarten und den üblichen Andenken an die Abtei. Aber es gibt dort auch die große Terrasse des Restaurants La Nation, auf der man mit  einem kühlen Vin blanc entspannt auf die hereinbrechende Nacht warten kann.