Ja, Weihnachten kommt auch in diesem Jahr wieder so plötzlich, und die Frage, was schenkt man wem, ist wie immer noch lange nicht beantwortet. Doch Hilfe ist nah. Wir haben eine Auswahl für Sie getroffen, wobei wir finden: Kunst geht immer, sei sie von alten oder neuen Meistern, gepinselt oder geknipst, gesammelt oder gekocht.

Kalender des Jahres

Sie glauben, Sie kennen das Meer? Weil es immerhin gut zwei Drittel unseres Planeten bedeckt? Dann sehen Sie sich doch mal an, was der Hamburger Fotograf Harald Schmitt mit seiner Kamera auf See beobachtet hat. Auf zwölf großformatigen Blättern zeigt er in diesem Kalender für 2018, in welch vielfältiger und wahrhaft atemberaubender Form uns das nasse Element begegnet. Denn ob es nun das sanfte Kräuseln vieler kleiner Wellen ist, die düstere Majestät des Meeresspiegels bei einem fernen Sonnenuntergang oder das Funkeln des Tageslichts auf munteren Wogen: viel mehr Romantik und Drama war nie und viel mehr Magie auch nicht. Ein Jahr lang begleiten uns diese umwerfend schönen Aufnahmen – am Ende ist man fast traurig, dass 2018 vorbei ist.

Harald Schmitt: Die Farben des Meeres. 12 Blätter (Format 100 x 54 cm). Delius Klasing Verlag. 98 Euro
Foto: Delius Klasing

Stürmische Zeiten

Fast sind sie schon zum skandalumwitterten Klischee geronnen, die turbulenten Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts – da trifft es sich gut, dass jetzt gleich zwei umfangreiche Bücher noch einmal zeigen wollen, was jenes ferne Jahrzehnt wirklich auszeichnete. Der zu einer Frankfurter Ausstellung entstandene Band „Glanz und Elend in der Weimarer Republik“ (bis zum 25. Februar in der Schirn Kunsthalle) zeigt mit rund 200 Werken vor allem, wieviel Chaos und Ungleichheit, Armut und Elend hinter der grellen Talmi-Fassade der krisengeschüttelten Republik herrschten – und wie engagiert viele Künstler und Künstlerinnen, von denen einige jetzt zu Recht wiederentdeckt werden, diese Themen aufgriffen; getreu der Devise von George Grosz „Pinsle, was das Zeug hält“. Einen eher feuilletonistischen Ansatz hat das Buch „Es wird Nacht in Berlin“, in dem der Zeichner und Buchkünstler Robert Nippoldt die vielen Schauplätze der Hauptstadt vorstellt, wo sich Prominenz und Halbwelt damals zum berühmt-berüchtigten „Tanz auf dem Vulkan“ trafen. Begleitet von faktenreichen Texten des Journalisten Boris Pofalla ist so ein Blätter-Buch voller Atmosphäre und Lokalkolorit entstanden, das schon die Faszination jenes längst untergegangenen Berlin erklärt – zumal eine CD mit 26 historischen Aufnahmen auch noch den authentischen Sound dazu liefert.

Ingrid Pfeiffer (Hrg.): Glanz und Elend in der Weimarer Republik. 300 S., 200 Abb. Hirmer. 49,90 Euro

Robert Nippoldt, Boris Pofalla: Es wird Nacht in Berlin. Die wilden Zwanziger. 228 S. Taschen. 49,99 Euro

Fotos: Hirmer/Taschen

 

 

Stationen des Lebens

Nicht nur Menschen prägen sich gegenseitig, sie werden auch beeinflusst von den Städten, Orten oder Landschaften, die sie im Verlauf ihres Lebens umgeben. Um zu zeigen, wie die Biografie einer Persönlichkeit auch im Spiegel ihrer jeweiligen Wohnorte zu sehen ist, hat sich die Literaturwissenschaftlerin und Kunsthistorikerin Christiane Kruse in Deutschland auf den Weg gemacht. Dorthin, wo die klugen Frauen wohnten, wie sie das Ergebnis ihrer Recherche betitelt hat.
Rund 60 Prominente vom Mittelalter bis in die Gegenwart hat die Autorin für ihr Projekt ausgesucht und in diesem handlichen Band „verortet“: Regentinnen oder Unternehmerinnen, Schriftstellerinnen, Schauspielerinnen oder Künstlerinnen, die jeweils auf einer Doppelseite mit historischen Bildern und aktuellen Fotos ihrer ehemaligen Wohnhäuser vorgestellt werden. Die Beschreibung der Lebensorte wird ergänzt durch detailreiche, kundige Kurzbiografien.
Das Adressen-Spektrum reicht dabei in alle Himmelsrichtungen: Die Dichterin Bettine von Arnim lebte mit Mann und Kindern in einem brandenburgischen Gutshaus, die Fotokünstlerin Hilla Becher mit ihrem Partner Bernd Becher dagegen in der alten Schule von Kaiserswerth bei Düsseldorf und Marlene Dietrich ist in einem Mietshaus in Berlin–Schöneberg aufgewachsen.
Reise-Literatur im besonderen Sinne also, geeignet fürs Sofa oder fürs Auto: ein Bändchen, bei dem es sich lohnt, genau hinzuschauen – nicht nur wegen der ziemlich klein geratenen Typographie.

Christiane Kruse: Wo die klugen Frauen wohnten. Auf den Spuren berühmter Frauen in Deutschland. 128 S., etwa 140 Abb., Edition Braus,
14,95 Euro
Foto: Edition Braus

Hinter der Kamera

Das Bild hat ihn berühmt gemacht. Das Porträt des „afghanischen Mädchens“, das der US-Fotograf Steve McCurry (geb.1950) 1984 in einem Flüchtlingslager in Pakistan machte, fasziniert bis heute durch die Intensität, mit der die Zwölfjährige in die Kamera schaut. 1985 landete es auf dem Cover von National Geographic und gilt seither als eines der besten Porträts aller Zeiten.
Ganz anders, aber genauso eindringlich: McCurrys Fotos vom 11. September 2001, als die Flugzeuge in die New Yorker Zwillingstürme geflogen waren und er gerade nach einer langen Reise aus Tibet zurück gekehrt war. Er hastete auf seine Dachterrasse am Washington Square und nahm das Unfassbare auf. Danach machte er sich zu Fuß auf zum World Trade Center und dokumentierte das Grauen.
In seinem Buch „Untold“ erzählt er jetzt die Geschichten hinter seinen Bildern, wie er zum Beispiel 18 Jahre später das afghanische Mädchen wieder fand und unter welchen Bedingungen er mit dem Zug durch Indien fuhr, wie er in Kaschmir das Tal der Tränen erlebte und den Stolz des tibetischen Volkes zu bewundern begann.
Ein bewegender Band mit großartigen, anrührenden Bildern, die nur manchmal zu klein abgedruckt sind.

Steve McCurry: Untold – Die Geschichten hinter den Bildern. 264 S., 49,95 Euro, Phaidon by Edel
Foto: Verlag Edel

Widerstand im Atelier

Der Titel verheißt Thriller-Dramatik, auch das Umschlagbild signalisiert Aufregung – und tatsächlich: Der Katalog zu der Potsdamer Ausstellung „Hinter der Maske“ (bis zum 4. Februar im Museum Barberini) erweist sich als spannender und aufschlussreicher Rückblick auf 40 Jahre DDR-Kunst. Denn rasch stellt sich heraus, dass sich viele Maler und Bildhauer damals durchaus nicht so einfach vereinnahmen ließen, wie es das SED-Regime gerne gehabt hätte. Im Spannungsfeld zwischen „schöpferischem Individuum und allmächtigem Staat“ (so Kurator Michael Philipp) entstanden vielmehr einige der eindrucksvollsten Arbeiten dieser Schau, von denen die meisten allerdings vor 1989 nie gezeigt wurden. Heute sind sie ein – höchst sehenswerter – Beleg dafür, dass Kunst zu reglementieren ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen ist.

Ortrud Westheider, Michael Philipp: Hinter der Maske. 280 S. Prestel. 39,95 Euro.
Foto: Prestel

Großes Jubiläum

Sie sind grandios, die vielen Bilder, mit denen in diesem Band der erste Geburtstag der Elphi gefeiert wird. Enthusiastische Musiker, bewegte Besucher, jubelnde Zuhörer, aufgeregte Kinder und ungezählte Fotos der spektakulären Architektur erzählen von der ersten Saison des neuen Konzerthauses. 530 000 Besucher kamen zu 355 Veranstaltungen mit so unterschiedlichen Künstlern wie Cecilia Bartoli oder John Malkovich, wie Chick Corea oder Einstürzende Neubauten. 3 474 000 Neugierige fuhren mit der Rolltreppe durch den glitzernden Tunnel hinauf auf die Plaza und sahen Hamburg aus einem ganz neuen Blickwinkel. Das Bilderbuch wird ergänzt durch mehrere lesenswerte Essays von Tom Schulz, Gottfried Knapp und Hanno Rautenberg zu dem neuen „Weltwunder der Architektur“, wie die Elbphilharmonie inzwischen apostrophiert wird.

Elbphilharmonie – Die erste Saison. 192 S., Verlag Edel, 22 Euro
Foto: Verlag Edel

Geschichten ohne Worte

„Sie ist eine Füchsin, sie hält sich im Schatten. Genau darin besteht Ihre Kunst. Auch wenn wir uns in unseren Verkleidungen sicher wähnen, sie bekommt uns so oder so zu fassen.“ So beschreibt die Schriftstellerin Alexandra Fuller die Fotografin Annie Leibovitz. Theaterlegende Robert Wilson nennt sie schlicht eine „Dichterin“. Sie selbst sagt: „ Das Porträt ist immer eine Sache des Augenblicks“, aber es soll „die Zeiten überdauern“.
Nun hat die amerikanische Fotokünstlerin (68) ihr drittes großes Buch herausgebracht. Es umfasst ihr Werk von 2005 bis 2016 – also Arbeiten, die nach der großen Zäsur in ihrem Leben, dem Tod ihrer Lebensgefährtin Susan Sontag, entstanden sind. In 150 großformatigen Farb- und Schwarzweissaufnahmen porträtiert sie Menschen aus der Kunst-, Literatur-, Film- oder Musikszene, aus Showbusiness, Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft. David Hockney ist darunter, Zaha Hadid, Serena und Venus Williams, Sheryl Sandberg, Queen Elisabeth II., Barack und Michelle Obama, Michael Phelps, Johnny Depp, Michael Bloomberg oder auch Donald Trump.
Leibovitz inszeniert ihre Fotografien wie Bühnenbilder, verdichtet damit Facetten in der Persönlichkeit des Porträtierten: Der Zeichner und Kinderbuchautor Maurice Sendak steht in einem dunklen Wald (wo meist die wilden Kerle wohnen), der Künstler Jeff Koons posiert nackt an einem Fitnessgerät, das so überdimensional ist wie seine Skulpturen, und Sängerin Adele träumt selbstvergessen am Klavier.
Wieder hat die Füchsin es geschafft: Aus dem Off erzählt sie uns Geschichten – ohne Worte aber voller Dramatik.

Annie Leibovitz: Portraits 2005–2016. Schirmer/Mosel Verlag. 316 S., 68 Euro. Foto: Schirmer/Mosel

Meister von einst

Noch bis Anfang Januar zeigt die Wiener Albertina rund 130 Zeichnungen und 18 Gemälde des in Urbino geborenen Raffaello Santi (1483 bis 1520), genannt Raffael, der neben Michelangelo und Leonardo da Vinci zu den bedeutendsten Künstlern der Hochrenaissance zählt. Der dazu erschienene Katalog beschäftigt sich vor allem mit Raffaels Zeichnungen, die er mit Feder, Kreide, Kohle, Rötel, Silberstift oder Metallgriffel anfertigte, und anhand derer man die Arbeitsprozesse vom Entwurf bis zur endgültigen Komposition nachvollziehen kann. Ergänzt wird der mächtige Band durch einige kenntnisreiche Essays, die für Nicht-Kunstgeschichtler sicher etwas zu detailliert sind. Ein Buch für Raffael-Fans, Fachleute und solche, die es werden wollen.
Achim Gnann: Raffael. 448 S., 49,90 Euro, Hirmer
Foto: Hirmer

Leckeres aus Fernost

Haben Sie schon mal mit Schwimmblasen oder Silberohren gekocht? Oder Gänsedärme in Soyasoße serviert? Wer dieses über 700 Seiten starke Kochbuch in die Hand nimmt, sollte sich schon ziemlich intensiv für die chinesische Küche interessieren. Nur wenige seitengroße Fotos lockern die gigantische Menge der Rezepte auf, die prominente chinesische Autoren aus den acht bekanntesten Regionalküchen des riesigen Landes zusammengetragen haben. Dazu gibt es eine detaillierte Einleitung über die Esskultur in China, die verschiedenen Regionalküchen, die unterschiedlichen Gar-Techniken und die benötigten Küchengeräte. Im anschließenden Glossar lernt man, was Baijiu – ein Schnaps, was eine Flügelgurke – ähnelt einem Zucchino, und was eine Gewürzlilie ist – ein kleiner Galgant.

Kei Lum Chan/ Diora Fong Chan: China – Das Kochbuch. 720 S., 45 Euro, Phaidon by Edel
Foto: Phaidon by Edel