Nachrichten aus einem kleinen Land

Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de, außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com 

Die Kettenbrücke, die Verliebten und Orbans neue Residenz ganz oben.

Sie ist die älteste der sieben Brücken, die in Budapest die Donau überspannen. Ihr Bau wurde vom Grafen István Széchenyi zu Beginn des 19. Jahrhunderts erträumt, doch als er davon seinem Kaiser Franz Joseph berichtete, wandte der ein, es gäbe ja gar keine Straße, die zur Brücke führte. Széchenyi aber meinte, die werde schon kommen, wenn erst eine Brücke da sein werde. Neben dem Geld, das schließlich der Wiener Bankier Baron György Sina besorgte, gab es allerdings noch eine große Schwierigkeit: Nur wenige Meter vom westlichen Donauufer erhebt sich eine Bergkette. So musste der aus England herbeigerufene Planungs-Ingenieur, William Clark, auch noch gleich einen Durchgang für Menschen und Fuhrwerke mit berechnen. 
Doch schließlich, aller Schwierigkeiten zum Trotz, wurden beide, Brücke wie Tunnel, 1849 vollendet.
Die Kettenbrücke ruht auf zwei mächtigen Pfeilern in der Donau, die oben in je einem Triumphbogen enden, die wiederum durch schwere Ketten miteinander verbunden sind – gewichtige Symbole der Österreich-Ungarischen K. u. K. Monarchie.
Inzwischen sind Brücke und Tunnel in die Jahre gekommen, sind renovierungsbedürftig und werden deshalb in diesem Jahr für längere Zeit gesperrt. Sie werden dem Verkehr sehr fehlen. Und auch den Verliebten, die nach der ersten Liebesnacht am Morgen zu Fuß über den Fluss zu schlendern pflegen, damit die Liebe hält – wie man sagt.
Hoch oben auf dem Burg-Berg wird indessen schon gebaut. Denn der amtierende Ministerpräsident Viktor Orban will sein Büro vom Pester Flachland in die Höhe verlegen. Für die Arbeiten wurde das Nationale Tanztheater vertrieben, das in einem ehemaligen Karmeliter-Kloster residiert hat  und jetzt auf verschiedenen Bühnen der Stadt Gastspiele gibt. Der riesige Neubau, bereits im Rohbau fertig, ist schon höher als die Residenz des Ungarischen Staatspräsidenten nebenan – und hat wieder Symbolkraft. Verständlicherweise möchte Viktor Orban möglichst bald umziehen, um noch vor den Parlamentswahlen 2018 auf sein Volk und seine Hauptstadt auch physisch herabsehen zu können. 
    
 
 Foto: privat/wikipedia