IFDas Paradies ist vom Bahnhof gerade mal fünfhundert Meter entfernt. Am besten fährt man mit Londons District Line in Richtung Richmond und steigt in Kew Gardens aus. Vor dem Bahnhof steht man dann plötzlich in einem Dorf – mit Marktplatz und Gemüsemann, mit Imbissbude und Buchhandlung und natürlich mit Starbucks. Dann nur noch die Straße runter und durchs Victoria Gate hinein in Kew Gardens.

Der prächtige Park hat seinen Ursprung in einem exotischen Garten, den Lord Capel von Tewkesbury (1638-1696) hier einst anlegen ließ. Die Witwe des Prinzen of Wales, Prinzessin Augusta von Sachsen-Gotha-Altenburg (1719-1772), vergrößerte ihn und machte daraus einen „Botanischen Garten“. Herzstück von Kew Gardens sind die gigantischen Gewächshäuser, die 1844 und 1860 gebaut wurden. Ihre Konstruktion aus Stahlgerippe und riesigen Glasflächen kam aus dem Schiffbau und war Mitte des 19. Jahrhunderts eine Sensation.
 
IFIm Palmenhaus gleich rechts vom Victoria Gate erlebt man den tropischen Regenwald. Hier gibt es Gummibäume und Ölpalmen, Kaffee- und Kakaopflanzen, Kokosnuss-Palmen und Bambus-Sträucher aus der ganzen Welt. Auch die älteste Topfpflanze Großbritanniens, eine Farn-Palme, die 1775 hierher kam, gedeiht prima in der heißen, feuchten Luft nur ein paar Kilometer von Big Ben entfernt. Vor dem Palmenhaus stehen übrigens die „Queens Beasts“, Drache, Löwe, Einhorn und andere große Steinskulpturen, deren Originale 1952 zur Krönung von Elisabeth II. in Westminster Abbey aufgereiht waren.

 
IF IFDirekt neben dem Palmenhaus sollte man unbedingt das „Waterlily House“ besuchen. Das kleine Glashaus wurde 1852 eigens für eine  der größten Attraktionen jener Zeit gebaut, Wasserlilien mit ihren mächtigen Blättern. Sie können einen Durchmesser von bis zu zwei Metern erreichen.
 
Wir schlendern jetzt in Richtung des anderen großen Gewächshauses, des „Temperate House“, vorbei an radschlagenden Pfauen und schnatternden Enten, Eichen von 1765 und 1798 und Pinien von 1846, und biegen dann ab zum „Baumwipfelpfad“, einer 18 Meter hohen und 200 m langen Stahlkonstruktion, auf der man durch Eichen- und  Kastanienkronen wandeln kann. Entworfen wurde der Pfad übrigens von den Architekten, die auch für das London Eye verantwortlich waren. Keine Angst, es gibt einen Fahrstuhl. Allerdings muss man sich an das leichte Schwanken der Brücke und die Durchsicht durch das Stahlgitter hinunter auf den Waldboden erst einmal gewöhnen.
 
IFIFDafür gibt es aber auch einen tollen Ausblick, zum Beispiel auf die „Pagode“, einen 50 Meter hohen Turm, den der Architekt Sir William Chambers (1723 -1796), der lange in China gelebt hatte, 1762 als Überraschung für Prinzessin Augusta nach chinesischem Vorbild baute. Im Winter kann man auch den See sehen, der 1856 angelegt wurde. Seit 2006 muss man ihn nicht mehr umrunden, seither gibt es eine Brücke, genannt „Sackler Crossing“, eine elegante Konstruktion des Architekten John Pawson.
 
IF IFAuf der anderen Seeseite sollte man sich den üppigen Bambus-Garten, das Rhododendron-Tal mit seinen 700 Pflanzen, die Magnolien-Sammlung und den Azaleen-Garten mit den zwölf unterschiedlichen Arten auf keinen Fall entgehen lassen. Auf dem Weg zum Kew Palace von 1631, der kürzlich im Zustand von 1804 restauriert wurde und jetzt besichtigt werden kann, gibt es aber auch endlich die Möglichkeit für eine Pause: Im  „White Peaks Café“ oder im „Restaurant Orangery“  kann man sich bei „Fish Pie“ oder „Lammkoteletts mit Zimt und Minze“ in die royale Vergangenheit träumen.

Oder man kehrt ins Heute zurück und geht zu Starbucks am Bahnhof Kew Gardens. Fotos: CO