Im Idealfall ist sie glutrot und heiß, duftet nach frisch gemahlenem rotem Paprikapulver, Zwiebeln, Knoblauch und sieht schon von weitem höllenscharf aus. Duft und Geschmack werden von den mitgekochten Rindsknochen und dem Fleisch abgerundet. Das ist Gulyás, die Suppe der Rinderhirten. Die Etymologie ist einfach: Gulya (sprich: Guja) ist die Rinderherde, der Gulyás (sprich: Gujaaasch) deren Hirte, der seine Arbeit zu Pferde mit der Assistenz einiger schwarzer Hunde der Rassen Puli- und Komondor erledigt. Das Gericht hat zahllose Varianten. Je nach Gegend enthält es Tomaten, Thymian oder Graupen.

Seine wichtigsten Verwandten sind der Pörkölt und der Paprikás, die dem deutschen Gulasch zum Verwechseln ähnlich sehen. Paprika enthalten beide, der Paprikás dazu auch saure Sahne. Sicher ungewöhnlich, aber die Küche ist ja kein Ort der Gewohnheiten, sondern, wenn alles gut läuft, des Genusses. Der geheime Küchenwitz der ungarischen Kochkunst besagt, dass ursprünglich nicht die Suppe sondern der dickflüssige Pörkölt – Mahlzeit der schwer arbeitenden Hirten – Gulyás hieß. Der Clou: Dieses Gericht wird im Deutschen, richtig (!), Gulasch genannt. Zur Suppe verdünnt wurde es später. Allerdings wissen das in Ungarn nur die Küchenhistoriker. Erzählen Sie es bloß keinem Magyaren, besonders keinem Kellner! Ihr Leben könnte beim Frevel gegen die Nationalsuppe in Gefahr geraten.

Nach der politischen Wende 1989 – 1990, verschwanden die Gulyás-suppe, der Pörkölt und der Paprikás in den feinen ungarischen Restaurants von den schweren, weißen Tellern. Auch die Geigen- und Zimbalspieler wurden arbeitslos. Zu essen gab es statt dessen gern (recht gute) Rinderfilets mit gegrilltem Gemüse, und als Untermalung des Geschirrgeklappers erklangen Harfenklänge.
Erst nach der Jahrtausendwende haben ausgerechnet die preußischen und sächsischen aber auch die französischen und italienischen Touristen so lang nach Gulasch gefragt, bis die ungarischen Wirte ihr Nationalgericht wiederentdeckt haben. Freilich servieren sie aus Rücksicht auf ihre fremden Gäste die höllenscharfen Paprikaschoten nicht in sondern zur Suppe. Und endlich sind sogar die schluchzenden Geigenklänge in immer mehr Gasthäusern wieder zu hören.
 
P.S. Gulasch- und andere magyarische Rezepte gibt es in meinem Büchlein Ungarisch kochen, Gerichte und ihre Geschichte , Edition Diá, Verlag Die Werkstatt, Göttingen
 
Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de.