Zu Beginn der 1980er Jahre wurde es immer schwieriger, den Unterricht an der Medizinischen Universität Semmelweis in Budapest aufrechtzuerhalten. Die rettende Idee hatte ein Anatom: Weil der Numerus Clausus in Westdeutschland viele junge Leute ohne Einser-Notendurchschnitt daran hindere, Arzt zu werden, und weil es zudem dort genügend Eltern gebe, die dennoch bereit und in der Lage seien, die Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren, solle man sich um diese Gruppe kümmern. 1983 begann in Budapest der Unterricht auf Deutsch. Die Lehranstalt stellte sich in den deutschen Großstädten vor, und ich sorgte in den Regionalzeitungen mit kleinen Meldungen für Werbung. Bald führte ich auch Interviews mit deutschen Gaststudenten und schrieb Artikel in den großen deutschen Tageszeitungen. In einem meiner Artikel für die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete ein deutscher Student begeistert, dass bei den Anatomie-Übungen jeder Student eine eigene Leiche präparieren könne. Ich erinnerte mich an meine Anatomiekurse in Mainz mit vier Kommilitonen um ein „Objekt“ herum und war ebenfalls begeistert. Der Arbeitstitel „Jedem seine Leiche“ sollte ein Scherz sein, doch die „Süddeutsche“ hat ihn gedruckt. Und der Artikel hatte viele Leser – auch in Ungarn.

Denn kurze Zeit später besuchte ein hochrangiger Kriminalbeamter den Leiter der deutschsprachigen Unterrichts-Sektion. „Wir wissen genau, wie viele junge Deutsche bei Ihnen studieren“, sagte er ernst. „Wenn also jeder von ihnen eine Leiche zum Sezieren hat, dann frage ich mich und Sie, Herr Professor: Wo nehmen Sie so viele Leichen her?“ Der Professor beruhigte den Kriminalbeamten schnell. Der begeisterte Student im Artikel könne entweder nicht bis vier zählen oder habe das Glück gehabt, dass seine drei Kommilitonen länger krank gewesen seien. Denn (auch) in Budapest bekommen vier Studenten zusammen eine Leiche. Der Kriminalbeamte rechnete schnell – und war zufrieden. Und bald hörte ich vom selben Professor (bei einem Tee), dass man (auch) Medizinstudenten nicht alles glauben darf. Er selbst habe bei einer Anatomieprüfung vernommen, dass sich das Herz des Menschen im Unterbauch befände – in guter Nachbarschaft mit der Lunge.

Heute studieren einige Tausend junge Leute aus 60 Ländern – darunter aus Deutschland, USA, Israel, Ghana und Marokko – in Ungarn, denn die Diplome werden weltweit anerkannt. Unterrichtet wird auf Deutsch und Englisch: Humanmedizin, Zahn- und Veterinärmedizin außerdem Pharmazie (mit Dr. Pharm. als Zugabe). Außer in Budapest kann man in den kleineren, nicht so teuren Uni-Standorten Debrecen in Nord-Ost-Ungarn, Pécs in Südungarn und Szeged in Süd-Ost-Ungarn studieren.
Und was die deutschen Studenten selbst schreiben, lesen Sie auf: www.ungarnaktuell.de/Studium.htm
Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de.