Kulinarik WildlachsMärchenstunde im Supermarkt. Da werden „Wildpfirsiche“ und „Wildnektarinen“ angeboten, die uns die Mär vom emsigen Sammler suggerieren, der irgendwo auf Früchte gestoßen ist, die fernab jeder Zivilisation reiften und natürlich niemals gespritzt wurden. Leider fehlt meist die konkrete Sortenangabe auf der Verpackung, „Wild—“ ist nämlich keine. Dabei könnte man auch selbst darauf kommen, dass die Natur heutzutage keine so gigantischen und obendrein unentdeckten Obstbestände mehr offenbart, dass daraus ganze Supermarktketten versorgt werden könnten. Oder nehmen wir den „Wildlachs“. Auch da will uns der Handel mit dem Dackelblick eines Märchenonkels beibringen, es handele sich um Fisch, der nicht aus Aquakulturen stammt. Ha! Eigentlich darf „Wildlachs“ nur ein Lachs heißen, der tatsächlich wild und ohne jedes menschliche Zutun gelebt hat – eine Fischart ist das jedenfalls nicht.

Kulinarik Martin Lagoda_8631Unter dem „Wildlachs“-Label sind die pazifischen Oncorhynchen wie Königslachs, Silberlachs, Buckellachs, Rotlachs und Ketalachs verpackt. Und die stammen inzwischen überwiegend aus Unterwassergehegen. Vom atlantischen Bruder, dem Salmo Salar, der als Räucherlachs oder Graved Lachs meist aus Norwegen kommt, weiß man ja, dass es sich um einen Zuchtlachs handelt. Was das Manöver soll, ist damit klar: Wir Verbraucher sollen (mal wieder) treuherzig glauben, dass wir die Wahl hätten zwischen einem mutmaßlich wertvolleren wild gefangenen Fisch und einem aus Farmanlagen.Da hilft nur eins: Ob man sich beim Einkauf nun für diese oder jene Fischsippe entscheidet, sollte allein eine Frage des Gustos sein, die geschmacklichen Unterschiede zwischen den Arten können nämlich groß sein. Wild ist hier schon lange nichts mehr, allenfalls die Gier derer, die mit billigen Tricks die Leute hinters Licht führen und noch mehr Reibach machen wollen. Foto: Rewe.
Martin Lagoda ist Food-Journalist, Ex-Chefredakteur Essen + Trinken und Buchautor. Für die Oncorhynchen kann er sich nicht erwärmen, sie sind ihm wegen des zum Teil sehr geringen Fettgehalts zu wenig delikat. Kontakt über www.snowdon-lagoda.de