Fotos:

Dramen des Alltags

Auch wenn es der Titel behauptet: Märchen werden hier nicht erzählt – dafür ist der russische Alltag denn doch zu profan. Aber ungewöhnlich sind diese Bilder schon, denn Frank Herfort, 1979 in Leipzig geboren und nach seinem Fotografie-Studium in Hamburg seit über zehn Jahren immer wieder in Russland unterwegs, hat einen sehr genauen Blick für das Abseitige, sanft Bizarre und Groteske. Und so hat er den alten Mann, der nächtens auf dem Bett sitzt und Akkordeon spielt, weil er nicht schlafen kann, ebenso festgehalten wie den ausgestopften Elefanten, der verloren im Erdgeschoss des Zoologischen Museums in Moskau herumsteht, weil er zu schwer ist, um an seinen eigentlichen Platz in einem oberen Stockwerk gebracht zu werden.  Kleinere Dramen sind hier also durchaus mit etwas Phantasie zu besichtigen, und wer wissen will, wie es in einem Russland ohne Propaganda aussieht, erhält hier zumindest erhellende Einblicke. PM

Frank Herfort: Russian Fairy Tales. 160 S. 88 Abb. Kerber. 38 Euro. Foto: Kerber
 

 

Roman:
 
Kindheit mit Untiefen

Welcher Autor traut sich schon, in den Zeiten von Stakkato und ClipArt lange, sehr lange Sätze zu schreiben? Michael Frank, langjähriger Mitteleuropa-Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ traut sich das in seinem Roman „Schmalensee“, und mit steigender Lesebegierde taucht man in diesen Fluss der Erzählung, diese Jeremiade im Geiste von Bohumil Hrabal. Keine wirklich fröhliche Kindheitsgeschichte, wenn auch vieles schmunzeln macht, was der Autor da aus dem Mittenwald der fünfziger Jahre, am Rande des kleinen Schmalensees, berichtet: ein karges, aber aufregendes Winterkinderleben in einer erzkatholischen Welt, mit sieben Geschwistern, bitterarmen Verhältnissen, die dennoch den jähzornigen Vater, einen Musiker, nicht hindern, das einzige Spielzeug, ein Schaukelpferd, mit ein paar Axtschlägen zur Beilegung eines Streits zu zerschlagen. Die geliebte, ebenso fromme wie überforderte Mutter, Feuer auf dem zugefrorenen See und weicher Teer, in dem man steckenbleibt…ein Lesevergnügen mit Untiefen. Franks lebhafte Lebensbilder bleiben hartnäckig im Gedächtnis haften. SST
Michael Frank: Schmalensee, 252 S., Picus Verlag, 22 Euro Foto: Picus


Kunst:

Ein Schwergewicht des Barock

Dass Anthonis van Dyck zu den Großmeistern des Barock zählt, bewies jetzt wieder die große Ausstellung in der Münchener Alten Pinakothek, die im Februar zu Ende ging. Und besonders gut konnte man dort die Entwicklung des Malers an den Selbstporträts studieren, die aus New York und St. Petersburg ausgeliehen und dem der Pinakothek gehörenden gegenübergestellt wurden.
Der Künstler wurde 1599 in Antwerpen geboren und kam schon als Zehnjähriger bei einem Maler in die Lehre. Ab 1618 arbeitete der nun Selbständige für Peter Paul Rubens, der ihn sehr beeinflusste, bevor er 1620 nach London ging, wo etliche seiner wichtigsten Bilder entstanden und wo er 1641 auch starb.
Seit mehreren Jahren gibt es in München ein Forschungsprojekt zu van Dyck, das in dem ungeheuer schweren Katalog zur Ausstellung detailliert erörtert wird. Die lesenswerten Essays schildern und analysieren wichtige Aspekte zu Leben und Werk des flämischen Genies.
Hg. Miriam Neumeister: Van Dyck – Gemälde von Anthonis van Dyck, 420 S., 495 Abb. 49,90 Euro, Hirmer Verlag. Foto: Hirmer


 

Kochen:

Nachhilfe fürs gute Gewissen

Die Unterzeile „Das Kochbuch, das die Welt verändert“ klingt natürlich ziemlich vollmundig. Aber auch kleine Schritte von vielen bringen Veränderung, und so ist dieses Buch eine gute Hilfe für jeden, der Lebensmittel nicht verschwenden, nachhaltig kochen und essen oder mehr über unsere Nahrung wissen möchte. Neben vielen einfach nach zu kochenden Rezepten und attraktiven Fotos gibt es Tipps zu gesunder, ausgewogener Ernährung, zu bewusstem Umgang mit Energie, zu richtigem Einkaufen und kreativer Resteverwertung. Im letzten Kapitel werden Fragen erörtert: Welchen Fisch soll man essen? Welches Fett ist gut und welches schlecht? Welche Auswirkungen hat Zucker auf unsere Gesundheit? Ist ökologisch und nachhaltig dasselbe? Unser Resümee: Die Unterzeile ist nicht zu Unrecht etwas vollmundig!

Johann Rockström: Eat Good – Das Kochbuch, das die Welt verändert. 224 Seiten, Gerstenberg. 34 Euro. Foto: Gerstenberg
 

 

 
DVD:
 

Hotel Lux

Vielleicht gehören Sie ja auch – wie wir – zu denen, die Bully Herbig nur als viel- und wahnsinnig schnell sprechenden Blödler abgestempelt haben, der zwar oft ganz lustig aber auf Dauer etwas nervig ist. Und dann schaut man sich „Hotel Lux“ von 2011 an und ist höchst amüsiert und leistet Bully jede Menge Abbitte.
Denn zusammen mit Jürgen Vogel mimt er ein Komiker-Duo, das im Berlin der frühen dreissiger Jahre sein Geld mit der Verhohnepipelung von Hitler und Stalin verdient. Autsch, das geht natürlich schief, beide müssen schließlich abhauen und treffen sich in Moskau im legendären Emigranten-Hotel Lux wieder. Dank einer Verwechslung wird Bully Wahrsager für Stalin persönlich, und das Tohuwabohu nimmt seinen Lauf. Ein irrsinnig komischer und politisch eigentlich völlig korrekter Spaß! (Constantin Film)

Hotel Lux DVD, 6,99 Euro Foto: Constantin Film