Meldungen aus einem kleinen Land
Peter Meleghy berichtet aus Ungarn

Unser Autor

Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Webseite www.ungarnaktuell.de , außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com 

Kluge Enten und andere Seltsamkeiten
Auf dem Dach des Budapester Innenministeriums nisten Wildenten und schnattern. Dies stört die meisten Herren beim Denken und Diskutieren. Sie würden die Vögel gern loswerden, sogar wenn man sie dafür umbringen müsste. Dies ist aber kaum möglich, denn die klugen Tiere haben für sich einen Platz gewählt, wo man sie nicht sehen kann – nur hören.
Vogelschützer meinen daher, die Herren Politiker sollten sich mit offenen Ohren den Enten nähern. Und zuhören. Es wäre ja möglich, dass sie dabei etwas dazulernten – wie man beispielsweise das tägliche Verkehrschaos vermeiden und für gesündere Luft sorgen könnte. Schaden jedenfalls könnte es nicht.

Krankenhäuser in Not – Lösung in Sicht
Die ungarischen Krankenhäuser sind überfüllt. Mit Kranken! Deshalb nennt man sie Krankenhäuser und nicht anders. Die Menschen, die dort auf Hilfe hoffen, stellen sich oft schon morgens um fünf Uhr an, um eine günstige Wartenummer zu bekommen. Es herrscht Ärztemangel, Schwesternmangel, Gerätemangel. Doch all das hat bald ein Ende. Viktor Orbán hat es selbst angekündigt: Die Warteräume werden geweißt. Ist das nicht wunderbar? Aber ja!
Für die Arbeit wurden von ihm auch schon 140 Milliarden Forint eingeplant, also rund 450 Millionen Euro. Das ist für die Orbán-Familie und ihre Freunde, die garantiert die Aufträge bekommen werden, ein einfaches, gutes Geschäft. Zwar würde das Geld auch für ein neues, schönes, großes Krankenhaus reichen. Aber dabei wäre das Geldverdienen viel komplizierter, und – da ist Logik drin – was würde ein schönes, großes Superkrankenhaus nützen ohne Ärzte, Schwestern und Hilfspersonal. Dann doch lieber weißen.

Helfer, Helfer, Helfer
Vor Weihnachten gab es vor den Sammelstellen der Hilfsorganisationen für Bedürftige lange Schlangen. Die Menschen brachten Kleidung, Bettwäsche, Spielzeug, Konserven mit. Und wenn wieder einmal eine zahlungsunfähige Mutter mit mehreren Kindern aus ihrer Wohnung geworfen wird, kommt das fehlende Geld von Privatspendern innerhalb weniger Tage zusammen. Auch als ein oppositioneller Politiker im Parlament eine Tafel hochhielt mit dem Text „Orbán lügt!“ und dafür vom Parlamentspräsidenten des „Hohen Hauses“ mit einer hohen Geldstrafe bestraft wurde, war sein Bankkonto bald wieder gefüllt.

Heldenhafte Richter
Ein anderer oppositioneller Abgeordneter – Vertreter zumindest eines Teiles des Volkes – wollte vor ca. drei Monaten ins staatliche Rundfunk- und Fernsehgebäude, um dort ein Protestschreiben zu verlesen. Er wurde abgewiesen, und als er nicht ging, von drei Pförtnern angegriffen und zu Boden geworfen, wobei der Parlamentarier einem der Angreifer recht fest in die linke Wade kniff. Dafür wurde er wegen Körperverletzung angeklagt. Der Streit ging durch drei Instanzen, weil Staatsanwalt zweimal Revision einlegte. Doch auch das Oberste Gericht entschied für den Abgeordneten und ermahnte den Direktor der Fernsehanstalt. Dazu brauchen Richter in Ungarn Mut. Aber in letzter Zeit gibt es immer mehr mutige Richter.

Kontrolle mit einem Lächeln
Wer über 65 Jahre alt ist, braucht in Ungarn für Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln keinen Fahrschein zu kaufen. Kinder unter einem bestimmten Alter und junge Menschen mit einschlägigem Ausweis müssen ebenfalls kein Ticket lösen. So kam es, dass mich jugendlichen 80er vor wenigen Tagen eine Kontrolleurin mit einem feinen, zurückhaltenden Lächeln fragte:“ Den Pfadfinder-Ausweis haben Sie natürlich dabei!“ Das hatte ich zwar nicht, dafür aber ein breites Lächeln!

Fotos: privat/UngarnTV