Immer schade, wenn man da, wo man gerade zu Besuch ist, die Landessprache nicht versteht. Auf dem riesigen Marktplatz im polnischen Krakau bedauert man es ganz besonders.

Der Platz ist der größte Europas, 200 mal 200 m groß, und bestimmt einer der lebendigsten. Etwa dreißig stets vollbesetzte Cafés säumen ihn, ein immerwährendes Stimmengewirr schwebt darüber, überall bilden sich Trauben um Straßenmusikanten, Jongleure, Gedichte Vortragende und andere ausdruckstarke Selbstdarsteller. Wie gern würde man verstehen, worüber geredet und gelacht wird!

Zum Trost lassen sich erschöpfte Touristen in eleganten Pferde-Kutschen gemütlich um den Platz fahren oder absolvieren die Besichtigung in einem offenen Sightseeing-Elektroauto mit sechs Plätzen. Zu sehen gibt es jedenfalls genug!

Zum Beispiel in der Platzmitte: Neben den eindrucksvollen Tuchhallen aus dem 14. Jahrhundert mit den Arkaden aus dem 19. Jahrhundert steht der 70 m hohe Rathausturm. Das zugehörige gotische Rathaus wurde 1820 abgerissen, der mittelalterliche Turm mit der barocken Haube beherbergt heute ein Museum zur Stadtgeschichte Krakaus.

Am südöstlichen Ende des Platzes steht die kleine, über tausend Jahre alte St. Adalbert-Kirche mit der Kupferkuppel. Sie beherbergt eine Sammlung zur Entwicklungsgeschichte des Platzes. An der riesigen Marienkirche wurde von 1200 bis 1600 gebaut, unbedingt ansehen muss man sich ihren Hochaltar, eine 11 mal 13 m große Schnitzerei mit bis zu 2,70 m großen Figuren von Veit Stoss, einem Nürnberger Meister, der von 1477 bis 1496 in Krakau lebte und arbeitete (www.mariacki.com).

Bei einem Spaziergang rund um den Platz entlang an den prächtigen Fassaden passiert man das „Haus zum Hirschen“, einem ehemaligen Gasthof, in dem schon Johann Wolfgang von Goethe und Zar Nikolaus I. übernachteten. Im „Palais zu den Widdern“ residiert seit 1956 Krakaus bekanntestes Kabarett, am Marktplatz Nr. 4 steht eines der wenigen noch gut erhaltenen Jugendstilhäuser, und im „Italienischen Haus“ befand sich einst das erste polnische Postamt, dessen Portal für die Durchfahrt der Postkutschen noch vorhanden ist.

Vom größten Platz schlendern wir jetzt die Einkaufsstraße Grodzka hinunter, bestaunen rechts den Wawel, die alte Residenz der polnischen Könige, und folgen der Stradomska bis ins Kazmierz-Viertel mit seinen engen Gassen, in das im späten 15. Jahrhundert die Krakauer Juden umgesiedelt wurden. Hier findet man mehrere alte Synagogen und jüdische Friedhöfe, aber auch viele neue Cafés, traditionelle Gaststätten und Galerien. Man kann auf Steven Spielbergs Spuren wandeln, der hier „Schindlers Liste“ drehte, oder man schaut sich das Geburtshaus Helena Rubinsteins an, die später in Australien und den USA mit nach polnischen Rezepturen hergestellten Kosmetika zur Millionärin wurde. Und man sollte sich unbedingt einen Abend mit einem Klezmerkonzert gönnen, der jüdischen Tanz- und Volksmusik, die im 15. Jahrhundert entstand und ursprünglich nur auf Hochzeiten und anderen Festen gespielt wurde. Heute gibt es weltweit junge Bands, die mit Geige, Akkordeon und Klarinette alte Weisen mit Jazz und Pop vermischen. Im „Klezmer Hois“ , das eingerichtet ist wie Omas Wohnzimmer, bekommt man zur Musik auch „gefillte Fisch“ serviert.

Nun geht man natürlich doch auf den Wawel, jenen Hügel, der schon im 10. Jahrhundert besiedelt war und auf dem seit dem 14. Jahrhundert die Krönungs- und Grabkirche der polnischen Könige steht. Dort wurden 2010 – höchst umstritten – der bei einem Flugzeugabsturz umgekommene Präsident Lech Kaczynski und seine Frau bestattet. Zu den architektonischen Höhepunkten des Schlosses zählt der Renaissance-Innenhof mit seinen Arkadengängen.

Am Fuße der Kirche, direkt an der Weichsel, befindet sich die Höhle, in der einst angeblich ein Drache hauste, der nur Jungfrauen der Stadt fraß und später durch die List eines Schusterjungen besiegt werden konnte. Am Ausgang der Höhle steht heute ein Metalldrache, der alle paar Minuten Feuer spuckt.

Wie wäre es jetzt mit einem Aperitif? Und dazu vielleicht einem atemberaubenden Blick über die ganze Stadt und die Weichsel? Die schönste Aussicht (und köstliche Drinks) bietet das Restaurant Percheron auf der Dachterrasse des Hotel Kossak. Sogar den speienden Drachen kann man von hier sehen.

Fotos: CO