Unser Kolumnist, der Ungar Peter Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de.

Unhöfliche Kontrolleure. Eines der kommunistischen Überbleibsel in Ungarn ist eine Verordnung, die es Menschen über 65 Jahren erlaubt, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen, ohne dafür zu zahlen: U-Bahn, Straßenbahn, Bus, Trolleybus, Donauschiffe, Eisenbahn. Und die Verordnung gilt, nach EU-Beitritt, auch für alle europäischen Schwestern und Brüder.

Initiiert hat sie der Reformkommunist Gyula Horn. Ja, derjenige, der 1989 als Außenminister den DDR-Flüchtlingen erlaubt hat, Ungarn Richtung Österreich zu verlassen. Gyula Horn ist tot, die Verordnung immer noch in Kraft. Doch wenn schon umsonst fahren, muss doch ordentlich kontrolliert werden (Lenin). So stehen vor den Eingängen zu den U-Bahnen Männer mit ernster Miene. Sie werfen schnelle Blicke auf die Fahrkarten – und schauen konsequent durch die über 65-Jährigen hindurch. „Eine Unhöflichkeit ohne gleichen!“ klagte einmal meine Mutter.
„Überlege doch“, versuchte ich zu argumentieren, „diese Leute tun das täglich, sie sind enorm geübt.“ „Trotzdem!“ sagte sie, „Die könnten doch sagen, wenn wenig Verkehr herrscht, ‚Verzeihung, gnädige Frau, zeigen Sie mir doch Ihren Ausweis. Sie sehen mir nicht wie 65 aus.‘“ „Ja, das könnten sie zweifellos“, antwortete ich.
Da war meine Mutter bereits über 75. Allerdings immer noch schön.