Kunst: Monet und die Metropole
Ein bisschen schmal ist er ja geraten, dieser Katalog zu der Berliner Ausstellung „Monet und die impressionistische Stadt“ (bis zum 26.1.2025 in der Alten Nationalgalerie), doch selbst auf diesen gerade mal 120 Seiten ist zu sehen, mit welcher Verve der Landschaftsmaler Monet im Jahr 1867 von einem Balkon des Louvre aus seine Heimatstadt Paris (die er längst verlassen hatte) auf die Leinwand brachte. Die alten Meister im Rücken entdeckte er die Moderne, und sein faszinierter Blick auf die neue pulsierende Metropole, die der Stadtplaner Georges-Eugène Haussmann erst kurz zuvor aus dem Mittelalter in die Gegenwart katapultiert hatte, wurde stilbildend für eine ganze Reihe von Künstlern wie Gustave Caillebotte oder Camille Pissarro. Wie sehr den Impressionisten Monet das Motiv Stadt beschäftigte, dokumentiert auch die aktuelle Ausstellung „Monet and London – Views Of the Thames“ in der Londoner Courtauld Gallery (bis zum 19.1.2025): Auf einer Serie von 18 Bildern taucht der Maler die Waterloo- und die Charing Cross Bridge und das Westminster-Parlament in ein Bad aus flimmernden Farben und Formen. Und wenn auch hier der direkte Augenschein durch nichts zu ersetzen ist – der (englische) Katalog gibt doch eine gute Ahnung davon, welches Fest für die Augen der Künstler auf seinen Gemälden angerichtet hat. PM
Ralph Gleis u.a.: Monet und die impressionistische Stadt.120 S., 86 Abb. Hirmer. 29.90 Euro
Karen Serres: Monet and London – Views of the Thames. 152 S. Holberton. 30 Pfund
Kunst: Blüten zum Blättern
Auch wenn Lichter, Lametta und Leckereien um die Wette glitzern, das Dezember-Grau ist dennoch schwer zu vertreiben. Da kommt dieses prächtige Blumen-Buch gerade richtig, um die Stimmung ein wenig aufzuhellen.
Die Publikation “Flowers Forever. Blumen in Kunst und Kultur” fächert auf, wie sich die künstlerische Auseinandersetzung mit Blumen in verschiedenen Epochen, Kulturen und Medien gewandelt hat. Das reicht von Aufsätzen zur symbolischen Bedeutung in Religion und Mythologie, über Essays zur Rolle von Blumen in ökologischen, ökonomischen und politischen Kontexten, bis hin zu Kapiteln über den vielfältigen Einsatz des Motivs in Kunst und Kunsthandwerk. Alles anschaulich beschrieben und großzügig bebildert.
So finden sich Blütenschönheiten in Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien und Computerkunst, auf Porzellan, in Metall, Holz, Glas oder Textilien. Bunt und begeisternd folgt der Band dem Naturwunder durch die Kulturgeschichte vom Altertum bis heute – ein wunderbares Buch über die anhaltende Faszination, die Blumen wohl seit jeher auf Menschen ausüben.
Auch auf ganz junge: „Wow, ist ja cool“, staunte mein 14jähriger Begleiter, als wir gemeinsam durch die Ausstellung im Hamburger Bucerius Kunst Forum gingen. Und das Blättern im Bildband hat ihm später zu Hause sichtlich Vergnügen bereitet.
UvS
Hrsg.von Roger Diederen und Franziska Stöhr: Flowers Forever. Blumen in Kunst und Kultur. Prestel Verlag, 288 S., zahlr. farbige Abb., 45 Euro.
Die Ausstellung im Bucerius Kunst Forum in Hamburg läuft noch bis 19.01.2025
Kunst: Hauptsache anders
„Wir müssen aufhören, uns ständig anpassen zu wollen“, befand die Schauspielerin Helen Bonham Carter schon vor geraumer Zeit, und dass sich vor allem die Bildende Kunst diese Maxime immer wieder beherzt und unbekümmert angeeignet hat, beweist dieser Katalog, der zu einer Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne erschienen ist: „Eccentric“ heißt sie (in schniekem Neu-Deutsch), läuft noch bis zum 27. April und belegt an „Positionen“ (was früher Werke hieß) von 50 Künstlern, wie einfallsreich sie die vermeintlichen Grenzen der Kunst erweitern oder gar überschreiten. Und ob nun der Surrealist Max Ernst zwei Pferdeleiber zu einem tanzenden Paar verknäuelt, der Objektkünstler Julian Charrière in einem neoklassizistischen Brunnen ein spektakuläres Flammenmeer entzündet oder die Fotografin Cindy Sherman in immer neuen Verkleidungen vor die Kamera tritt – die „Ästhetik der Freiheit“ (so der Untertitel von Ausstellung und Buch) wird hier ebenso eigenwillig wie fantasievoll erkundet. PM
Hg. Eva Karcher, Bernhart Schwenk: Eccentric. Ästhetik der Freiheit. 216 S., 130 Abb. Hirmer. 34,90 Euro.
Fotografie: Frauen an der Kamera
Wurde aber auch wirklich Zeit, die Rolle der Frauen bei der Entwicklung der Fotografie endlich einmal zu dokumentieren. Sie ist nämlich ziemlich groß – aber so richtig gut gelungen ist die Darstellung in diesem Buch nicht. Schon die Reihenfolge der insgesamt 50 Frauen ist reichlich wirr: Sie sind weder nach ihrem Geburtsjahr noch nach ihrem Namen angeordnet. Was zu einer umständlichen Sucherei führt, bei der man dann immerhin feststellt, dass so bedeutende Frauen wie Diane Arbus oder June Newton fehlen. Die übrigen werden mit einer Seite Text und einem Foto vorgestellt, knapper geht kaum. Doch trotz aller Kritik: Für einen ersten Einstieg in ein ebenso unbekanntes wie spannendes Thema ist der Band schon geeignet. PM
Gemma Padley: Frauen, die die Fotografie verändert haben. 216 S. Laurence King Verlag. 24 Euro
Naturgeschichte: Mal flüchtig, mal stürmisch
Wir spüren ihn, hören und riechen ihn, aber sehen können wir ihn nicht: den Wind. Definiert wird er als Luftstrom aus Gebieten mit höherem Luftdruck in solche mit geringerem Druck, und der hat großen Einfluss auf unser Leben. Er bläst Samen weit fort und sorgt so für neue Pflanzen und deren Ausbreitung. Er füllt Segel und bringt uns so bis heute von einem Ort zum nächsten. Er bewegt riesige Windräder und versorgt uns so mit Energie. Und auch in Literatur, Malerei und Musik kommt der Wind vor, der wiederum als Sturm oder gar als Tornado Bäume umlegen, Autos durch die Luft wirbeln und Häuser zerstören kann.
Die Dozentin für Alte Geschichte Louise M. Pryke der Universität in Sydney hat sich für dieses Buch mit allen Aspekten des Windes beschäftigt und erzählt gekonnt und äußerst lesenswert auch vom Wind in der Bibel, im babylonischen Gilgamesch-Epos und in vielen Mythen. Und nicht zuletzt von seinem – gewissermaßen – kleinen Bruder: unserem Atem. CO
Louise M. Pryke: Wind – Eine Kultur- und Naturgeschichte, 232 S., Haupt Verlag, 28 Euro.
Kunst: Mehr als Architektur
Bekannt geworden ist der Spanier Santiago Calatrava, Jahrgang 1951, als Architekt mit schwungvollen Brücken und skulpturalen Bahnhöfen in u.a. Sevilla, Valencia, New York und Bilbao. Der opulente Band (auf Englisch) von Nick Mafi beschäftigt sich jedoch nicht mit Calatravas Bauten, sondern mit seiner Kunst, seinen Skulpturen aus Holz, Metall und Stein, seinen Zeichnungen und Malereien, seinen Kinetischen Objekten und seinen Bühneninstallationen für Ballettaufführungen. Auf mehr als 300 Foto-Seiten wird so ein überaus vielseitiger Künstler vorgestellt, in knappen Texten erfährt man alles Wichtige zu seiner Biografie, seiner Ästhetik, seinen Projekten und Ausstellungen.
Eine große Entdeckung! CO
Nick Mafi: Calatrava Art, großformatig. 380 S., Hirmer Verlag, 60 Euro.
Gärten: Raus ins Vergnügen
Am Anfang war das Paradies, aus dem die Menschen vertrieben wurden, und das man sich als einen herrlichen Garten hinter hohen Mauern vorstellte. Garten war demnach ein Stück Natur, das vom Rest der Natur abgegrenzt war.
So begann einst der Siegeszug des Gartens, und so beginnt auch das Buch von Hans von Trotha, der seine grüne Geschichte in 333 Bildern erzählt.
Ursprünglich wurde der Garten Eden immer quadratisch dargestellt und Jesus als Gärtner mit Spaten und Hacke. Bilder von Pflanzen, Bäumen, Blüten und Sträuchern tauchten dann im 6. Jahrhundert auf, und mit Hildegard von Bingen (1098-1179) gab es immer mehr Abbildungen von Heilkräutern, die in Klostergärten angebaut wurden. Und so geht es mit Gemälden und Zeichnungen durch die Jahrhunderte, mit dabei sind Bilder von u.a. Sandro Boticelli, Lucas Cranach, Albrecht Dürer, Rafael, Caspar David Friedrich, Edouard Manet, Claude Monet, Max Liebermann und natürlich der Naturforscherin Maria Sybilla Merian (1647-1717). Auch Pläne von Anlagen wie dem Schloss Versailles, dem Schloss Charlottenburg und dem Wiener Belvedere nimmt Trotha in seinen Prachtband auf, schwelgt in Barockgärten und Rokokoarchitektur, beschreibt die beginnende Mode der französischen Gärten und englischen Parks in ganz Europa und würdigt die bahnbrechenden Arbeiten des schwedischen Naturforschers Carl von Linné. Das eindrucksvolle Werk endet mit den ersten Fotografien vom Ende des 19. Jahrhunderts. CO
Hans von Trotha: Der Garten – seine Geschichte in 333 Bildern, 384 S., Hatje Cantz, 44 Euro