Bücher

Krautschau der Ritzenrebellen

Sicher haben Sie schon mal vom Bingelkraut gehört und vom Natternkopf. Nein? Gesehen haben Sie diese kleinen, tapferen Pflänzchen, die sich durch Pflasterfugen und Mauerritzen zwängen, aber bestimmt schon. Wahrscheinlich nur nicht so richtig bemerkt.
Die beiden Ökologinnen Alexandra-Maria Klein und Julia Krohmer haben für ihr kenntnisreiches Buch 95 sogenannte „Ritzenrebellen“ zusammengestellt, die in unseren Städten die Versickerung von Regenwasser erhöhen, Staub binden und zur Kühlung beitragen. Jedes Pflänzchen wird mit Foto, Zeichnung und Beschreibung vorgestellt, und kann so auch von Laien identifiziert werden. Denn das Buch ruft zur „Krautschau“ auf, dem Kennzeichnen der Pflanze mit Kreide bei einem Spaziergang durch unsere Straßen. Tolle Idee! Vielleicht suchen Sie mal nach dem „Persischen Ehrenpreis“ oder der „Kohl-Gänsedistel“, denn hübsch sind diese unterschätzten Mitbewohner allemal!

Alexandra-Maria Klein, Julia Krohmer: Das wächst in deiner Stadt 140 Seiten, Kosmos, 14 Euro, Foto: Kosmos

 

 

Kunst-Stücke

Im Großen und Ganzen kennen wir uns ja alle einigermaßen aus in der Kunst – aber was ist eigentlich mit den Einzelheiten?

Geliebte Ostsee

Von Flensburg über Lübeck und Wismar bis nach Usedom sind die Autorin Marianne von Waldenfels und die Fotografin Julia Marie Werner gereist und haben unter anderen Bens Fischhütte, den Koseler Hof, Gut Immenhof und das Rote Haus besucht und dabei den Chefköchen ihre Lieblingsrezepte abgelockt. So kann man in ihrem Buch lernen, wie man im Restaurant Specht in Grödensby Galloway Frikadellen zubereitet und auf Gut Panker im Restaurant Ole Liese Ostseedorsch sanft gart und mit Spinat, Steinpilzen und Kartoffelschaum serviert. Zu jedem Kapitel gibt es kurze Texte über die Köche und ihren Werdegang, und ein paar Geheimtipps werden auch ausgeplaudert, zum Beispiel über das KranichHotel bei Ribnitz-Damgarten (https://kranichhotel.de), das auch ein Kunstmuseum geworden ist, und das Wasserschloss Mellenthin auf Usedom, in dem seit 1575 Bier gebraut wird.

Marianne von Waldenfels: Zu Gast an der Ostsee. 208 Seiten, zahlr. Abb. Callwey. 45 Euro

Unsere Blumen

Kein Bauerngarten ohne Levkojen, schon im 16.

Sitzgeschichten

Gibt es viele andere Tätigkeiten, die wir Menschen seit eh und je so einträchtig erledigen wie die Verrichtung der Notdurft? Wohl kaum, wie dieser ziemlich bunte Streifzug durch die „stillen Örtchen“ rund um den Globus und quer durch die Jahrhunderte beweist. Wobei sich herausstellt, dass es gar nicht immer so diskret zuging auf den Toiletten. Im alten Rom etwa hockte man sich durchaus gemeinsam hin, um sein Geschäft zu machen. Auch in den Klöstern des Mittelalters ging es oft gesellig zu, beim Militär sogar bis in die Neuzeit, vor allem, wenn die Truppen in den Krieg zogen. Erst das prüde 19. Jahrhundert sorgte zumindest in Europa flächendeckend für Abgeschlossenheit und Vereinzelung. In vielen Gegenden der Welt ist es allerdings immer noch nicht weit her mit Abstand und Hygiene, und so bleibt die Kulturgeschichte der Toiletten bis heute ein ebenso aktuelles wie anrüchiges Thema. PM

Arnaud Goumand: Stille Örtchen. 221 Seiten, zahlr.

Sammeln und Bewahren

Immerhin rund 400 Jahre haben die ältesten schon hinter sich (von ein paar noch älteren Vorläufern abgesehen), richtig attraktiv sind unsere Museen indes erst seit gut 50 Jahren. Und auch ihre Zukunft könnte spannend werden, vermutet jedenfalls der britische Architekturhistoriker Owen Hopkins in diesem höchst informativen und reich illustrierten Buch. Einst meist aus fürstlichen Wunderkammern und anderen Kollektionen hervorgegangen, ist das Sammeln und Bewahren für viele Häuser inzwischen nur noch ein Teil ihrer Aufgaben. Herausforderungen, die mit den Stichworten „digitale Revolution“ und „Dekolonialisierung“ zusammenhängen, zwingen nicht zuletzt alt etablierte Institutionen dazu, ihre Berechtigung und ihr Konzept zu überprüfen. Unterdes sind in den letzten Jahrzehnten rund um den Globus immer mehr neue Museen entstanden: Wo diese Entwicklung einst etwa mit dem Louvre im Frankreich des 16. Jahrhunderts begann und mit dem 2017 eröffneten Louvre in Abu Dhabi (siehe auch unten) sicher nicht ihr Ende gefunden hat, dokumentiert Hopkins anhand von 111 Museen ebenso umfassend wie unterhaltsam.

Wenn Wurzeln wandern

Die ersten Pflanzen wurden „gejagt“, weil der Mensch Hunger hatte, erst sehr viel später erkannte man ihre medizinischen Eigenschaften und schmückte sein Heim mit ihnen. Heute dienen sie oft nur als Rohstoffe.
Die erste Pflanzenjagd wird der Pharaonin Hatscheput zugeschrieben, die den Weihrauch aus dem Land Punt, wohl im heutigen Ägypten gelegen, mitbrachte, dann transportierte Alexander der Große Pappeln nach Hause und Dschingis Khan Weiden und Apfelbäume.
Die britische Gartenhistorikerin Ambra Edwards erzählt in ihrem Buch sehr lebendig und kenntnisreich, eingeteilt nach Kontinenten, von den Abenteuern früher Pflanzensucher wie dem Engländer Joseph Banks (1743 – 1820), der 1770 aus Australien eine spektakuläre Baum-Gattung mitbrachte, die später seinen Namen erhielt, die Banksia-Arten. Oder von Frank Kingdon-Ward (1885 -1958), der 45 Jahre lang in Tibet, China, Birma und Indien 23000 Exemplare sammelte, darunter Rhododendren und Primeln.
Ein spannendes, ausgesprochen lesenswertes Buch nicht nur für Pflanzenfreunde.

Ambra Edwards: Pflanzenjäger – Wie exotische Pflanzen in unsere Gärten kamen, 40 Euro, Gerstenberg  Foto: Gerstenberg

 

Vorfreude

Jetzt ist die Zeit, den nächsten Urlaub zu planen! Wie wären denn mal fast touristenfreie Städte in Spanien? In diesem neuen Buch kann man sechzig spannende Orte entdecken von Santander über Burgos und Tarragona bis Ronda. Jeder Stadt sind ein oder zwei Doppelseiten gewidmet mit schönen Fotos, einem informativen Text, einem Extra-Tipp und wichtigen Websites. Eine Karte und ein paar grundlegende Fakten über Land und Leute runden den Band ab. Also, auf zum Beispiel in die „Stadt der drei Kulturen“, wie Toledo wegen des friedlichen Zusammenlebens von Christen, Juden und Muslimen über Jahrhunderte genannt wird!
Nicole Biarnés, Grit Schwarzenburg: Secret Citys Spanien – 60 charmante Städte abseits des Trubels, 29,99 Euro, Bruckmann, Foto: Bruckmann

 

Unser Apfel

Schon vor 2500 Jahren gab es Gärten, in denen Äpfel wuchsen, die sich kaum von denen unterschieden, die wir heute im Supermarkt finden. Tiere wie Bären, Pferde und auch Kamele, denen die Früchte gut schmeckten, sorgten für eine weite Verbreitung, und weil Äpfel nicht nur gesund sind und sich gut lagern lassen, begeisterten sich Menschen in aller Welt.…

Bald ist Weihnachten
 
Und hier kommen die schönsten Bücher, die Sie gut verschenken (oder selbst behalten) können, sie machen nämlich glücklich!

 

Kunst: Das eigene Selbst

Gesichter erzählen Geschichten: So wie Schriftsteller häufig eigene Spuren in ihren Romane hinterlassen, so erkunden bildende Künstler das eigene Ich im Selbstporträt. Die zahlreichen Selbstbildnisse von Vincent van Gogh etwa lassen sich wie ein autobiografischer Befund lesen. Auch Pablo Picasso, so der Kunsthistoriker Uwe M. Schneede in seinem neuen Buch, wählte regelmäßig das Selbstporträt, um seine Lebenskapitel zu kennzeichnen: Es sind „Ich-Botschaften“, die Auskunft geben über jugendliches „Aufbegehren“, über „Selbstbehauptung“ in späten Jahren bis hin zur „Selbstergründung“ gelebter Herausforderungen. Bei Marina Abramovic mündet sie in Performance-Arbeiten mit dem ganzen Körper.

Die mit viel Bedacht ausgewählten Abbildungen liefern ein Kaleidoskop großer Kunst des 20. Jahrhunderts. Was den Band überdies bemerkenswert macht, ist sein inzwischen 83jähriger Autor.  Schneede, von 1991 bis 2006 Direktor der Hamburger Kunsthalle und einer der großen Kenner der Moderne, präsentiert hier den Schatz seiner klugen Erkenntnisse – und somit, darf man wohl annehmen, ebenfalls eine Darstellung seiner Selbst.

Unser Lieblings-Cartoonist Peter Butschkow hat soeben seinen zweiten Roman vorgelegt. Wenig überraschend bei einem gelernten Graphiker und Zeichner, der in Berlin aufgewachsen ist und seit langem in Nordfriesland lebt, geht es auch hier um Schrift. Genauer um die Brand-Antiqua und deren Schöpfer, der zwei Studenten nach der verschwundenen Emilia suchen läßt und sie so in ein Abenteuer schickt, um zu klären: „Wo ist Emilia?“

Peter Butschkow: Wo ist Emilia?, 308 S., Verlag Konkursbuch, 14 Euro

Bald ist Weihnachten

Es ist zwar eine Binse, aber doch wahr: Wer gut plant und früh anfängt, gerät seltener in Hektik und kann schon die Vorweihnachtszeit genießen. Dabei hilft dieses Buch mit seinen vielen schönen Dekorationsideen und leckeren Rezepten.
Wer also mit Misteln oder Zapfen Akzente setzen oder Girlanden aus Tannen winden möchte, wer ein Lebkuchenhaus backen, eine herzhafte Suppe kochen oder Marshmallows grillen möchte, der ist mit diesem mit schönen Fotos ausgestattetem Buch gut bedient. Selbst ein Weihnachtsmenü für die ganze Familie kann man sich mit seiner Hilfe zusammenstellen: Den Anfang macht zum Beispiel eine Süsskartoffel-Ingwer-Suppe mit Kokos Sambal, gefolgt von Boeuf Bourguignon mit überbackenem Rosenkohl und gekrönt von einem Bratapfel im Blätterteig. So kann Weihnachten kommen!

Wohnen& Garten: Winterglück & Weihnachtszeit – Rezepte und Ideen für die schönste Jahreszeit, 160 S., 35 Euro, Callwey Verlag…

Fotografie: Ausdruckstark

Sie war eigentlich immer unterwegs. Und fast immer hatte sie eine Kamera dabei, die ihr schon früh so vertraut war, dass sie zu ihrem „dritten Auge“ wurde, wie sie einmal feststellte. Und vielleicht war es gerade diese intensive Symbiose, die Sibylle Bergemann, 1941 in Berlin geboren und 2010 in Margaretenhof nordwestlich von Berlin gestorben, schon zu DDR-Zeiten zu einer international bekannten Fotografin machte, ein Renommee, das bis zu ihrem Tod eher noch wuchs. Vor allem ihre Mitarbeit an der Ost-Berliner Modezeitschrift „Sibylle“ machte sie bekannt, doch der gelernten Sekretärin, die ihr eigentliches Handwerk schließlich bei dem legendären DDR-Fotografen Arno Fischer lernte, gelangen bei ihrem Unterfangen, die „Vielfalt menschlicher Empfindsamkeit“ darzustellen, auch eindrucksvolle Porträts, Reise-Reportagen und andere Dokumentaraufnahmen. Über ein Jahrzehnt begleitete sie die Fertigstellung des Berliner Marx-Engels-Denkmals, und auch dem DDR-Wohnungsprojekt P 2 widmete sie eine Serie. Die ganze erstaunliche Vielfalt ihrer Arbeit ist noch bis Mitte Oktober in der Berlinischen Galerie zu besichtigen, der Katalog informiert zudem über den Werdegang der Fotografin und einzelne Aspekte ihres Werks.…

Kunst: Kühl und objektiv

Weg mit dem ekstatischen Expressionismus, und mit heroischen Schlachtengemälden hatte man erst recht nicht mehr viel am Hut – nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs war Umdenken unter Deutschlands Künstlern angesagt. Kühle Objektivität statt wirre Emotionalität sollte fortan ihre Arbeiten prägen; die „Neue Sachlichkeit“, wie der Kunsthistoriker Georg Friedrich Hartlaub die Richtung alsbald nannte, wollte die moderne Zeit ebenso präzise wie kritisch darstellen. Die bis dahin weitgehend ignorierte Fotografie spielte dabei eine wichtige Rolle, und so stellt die aktuelle Pariser Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ (die ab Oktober im Museum Louisiana bei Kopenhagen gezeigt wird) denn auch August Sanders strenge Aufnahmen von „Menschen des 20. Jahrhunderts“ in den Mittelpunkt. Die Werke der anderen Künstler sind mindestens so beeindruckend: bitterböse Porträts von George Grosz und Otto Dix etwa, verblüffende Fotomontagen von Sasha Stone oder kühne Entwürfe der Bauhaus-Stars Walter Gropius und Marcel Breuer. Viel Zeit blieb den Revolutionären allerdings nicht: Die Nazis machten der großartigen Vielfalt nach 1933 rasch ein rabiates Ende.…

Kochen: So schmeckt Chemnitz

Drei Jahre hat man Zeit, sich durch dieses Buch zu kochen, denn Chemnitz ist erst 2025 Kulturhauptstadt, und zu diesem Anlass hat die Autorin Diana Drechsel schon mal „7 x 7 köstliche Rezepte“ gesammelt. Zwischendrin erzählt sie Wissenswertes aus allen Stadtteilen, zeigt davon einige Schwarzweiß-Aufnahmen und fordert auf, ein paar Stadtansichten nach Zahlen auszumalen. Doch der Clou sind die einfachen Rezepte mit den phantasievollen Namen: Felsendomer Tropfsteintopf oder schneller Wanderer oder Sex on the Schlossteich. Sie sind in drei Schwierigkeitsgrade eingeordnet und mit ein, zwei oder drei Silhouetten des Roten Turms, dem Wahrzeichen von Chemnitz, gekennzeichnet. Außerdem können sie mit Kommentaren versehen werden: Für wen und wann gekocht? War es gut? Mittel? Schlecht? Nochmal kochen: ja oder nein? Ein lustiges Buch, das Lust auf einen Chemnitz-Besuch macht und dem eigentlich nur ein paar schöne Rezeptfotos fehlen.

Diana Drechsel: Koch Mich! Chemnitz, 128 S., 24 Euro, Paperento Verlag, Foto: Paperento
 


 

Kunst: Hundert mal erklärt

Hätten Sie’s gewusst: Das Gemälde „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ zeigt nicht Jan Vermeers Hausmädchen Grit, wie es im Roman von Tracy Chevalier und im Film von Peter Webber behauptet wird.…

Rosen: Die Prächtigen

Von Rosen versteht er viel, der Leiter der Royal Botanic Gardens in Kew bei London, Tony Hall ist nämlich auch verantwortlich für den dortigen Rosengarten mit 3000 stacheligen Schönheiten aus 160 verschiedenen Sorten.
Für sein hübsch gemachtes Büchlein hat er 78 verschiedene Rosen porträtiert mit Foto und/oder Zeichnung, Kurzbeschreibung und Besonderheiten. Dazu gibt es informative Texte zu Standorten, Pflege, Vermehrung, Hecken und Kübelpflanzen.
Ein attraktives Buch für Rosenfans – Anfänger und Fortgeschrittene.

Tony Hall: Rosen. 145 S., 26 Euro, Haupt Verlag Foto: Haupt Verlag

 

 


 

Kochen: Neue Heimat

Die traditionelle deutsche Küche hatte lange keinen guten Ruf: zu schwer, zu fett, zu fleischlastig. Doch das war einmal: Kit Schulte, umtriebige Expertin für Kunst und Kulinarik, hat 16 Jahre in den USA gelebt und war bei ihrer Heimkehr überrascht, wie sehr sich das Kochen in Deutschland verändert hatte. In ihrer umfangreichen Sammlung „Schöne Heimat“ hat sie nun traditionelle Rezepte zusammengetragen, sie noch mal leichter und frischer gemacht und dabei überwiegend regionale, saisonale Gemüse und Kräuter eingesetzt.…

Klar sind Mücken manchmal lästig, und vor Spinnen ekeln sich jede Menge Menschen. Aber wenn man sich mal mit Insekten beschäftigt und zum Beispiel die blaugrüne Mosaikjungfer – eine Libelle – oder Roesels Beißschrecke – eine Heuschrecke – genauer anschaut oder sich über Käfer informiert, von denen es 350 000 Arten gibt, dann erfährt man verblüffende Details, etwa dass die Larven des Mehlkäfers inzwischen Plastik fressen.
Nachzulesen sind derlei Fakten in drei neuen Büchern, die zudem höchst anschaulich dokumentieren, wie wichtig Insekten für das Leben auf der Erde sind. Das erste, „Insekten retten die Welt“, wendet sich an Kinder ab 8 Jahren. Es erläutert mit hübschen Zeichnungen und kurzen Texten, was Insekten überhaupt sind, welche Aufgaben sie erfüllen und wie jeder von uns sie schützen kann.
Das zweite, „Insektenwelt für Ahnungslose“, stammt von der Biologin und Comic-Zeichnerin Véro Mischitz, die mit 431 fröhlichen, detaillierten Zeichnungen anregen möchte, sich mit Insekten zu beschäftigen.…

Möbel: Ein Welterfolg

 

In Europa findet man diesen Stuhl hässlich und wünscht sich ein Produktions-Verbot. Aber im Rest der Welt müssten Millionen Menschen auf dem Fußboden sitzen, hätte der Franzose Henry Massonet (1922-2005)  den „Monobloc“ nicht  Anfang der Siebziger Jahre erfunden. Für jeden Stuhl spritzt eine Maschine auf 220 Grad erhitztes Polypropylen in eine Gussform, dann wird mit Wasser gekühlt, und nach 55 Sekunden ist der Stuhl fertig, mit unter zehn Euro natürlich unschlagbar billig.
Filmemacher Hauke Wendler wurde 2013 durch ein Foto in der „Zeit“ auf den Plastiksitz aufmerksam und folgte ihm über fünf Kontinente durch Deutschland, Italien, Uganda, USA, Indien und Brasilien. Entstanden sind daraus ein Film, ein Podcast und dieses Buch, in dem über die Herstellung, die Verbreitung und die Wichtigkeit des „Monoblocs“ erzählt wird. Nicht auszuschließen, dass uns am Ende der Lektüre unsere Arroganz als Mitteleuropäer und unser Anspruch an Ästhetik plötzlich nur noch peinlich sind.…

Architektur: Von A wie Aalto bis Z wie Zumthor

Man kann natürlich der Meinung sein, dass Architektur keine Kunst ist, da sie ja vornehmlich einem Zweck dient, nämlich dem zeitgemäßen, bequemen Wohnen der Menschen. Schaut man aber in dieses Buch, kann man durchaus anderer Ansicht werden.
Zu sehen sind auf fast 700 Seiten einzelne Architekten und ihre Werke, verschiedene Stilrichtungen und Moden vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis heute.
Mit dabei sind so bekannte Architekten wie Marcel Breuer, David Chipperfield, Frank Gehry, Toyo Ito, Richard Meier und Lord Norman Foster, wenige Frauen wie  Zara Hadid, Lina Bo Bardi und Eileen Gray, Stilrichtungen wie Bauhaus, Art Nouveau, Metabolismus und Postmodernismus. Wunderbare Fotos der wichtigsten Gebäude werden ergänzt durch kurze Texte, dazu kommen knappe biografische Abrisse.
Ein großartiges Buch, um die Vielfalt der modernen Architektur zu entdecken.
Aurelia und Cy Taschen: Moderne Architektur A – Z. 672 S., 4,18 kg schwer, Verlag Taschen, 60 Euro.…

Sachbuch: Wenn die Liebe endet

Es sind keine Liebesgeschichten, die die Scheidungsanwältin Rita Brockmann-Wiese für dieses Buch aufgeschrieben hat, obwohl einige als große Liebe begannen. Wie die des Studentenpaares, das sich in Boston mehr amüsiert als studiert und dann mit Kind in der Realität nicht klarkommt. Oder die des schwulen Paares, das sich vor Gericht um seinen Hund streitet. Oder die der Ehefrau, die immer mit Selbstmord droht, wenn ihr Mann sich trennen möchte, und es dann lange nach der Trennung tatsächlich tut.

Zusammen mit dem Journalisten Dr. Gerhard Spörl hat die Autorin ihre Erfahrungen mit Scheidungen zu zwanzig manchmal richtig tragischen Geschichten verdichtet, die gut geschrieben einen tiefen Blick in zwischenmenschliche Abgründe gestatten. Sehr interessant, aber selten lustig.

Rita Brockmann-Wiese: Schluss. Aus. Vorbei! 176 S. Verlag J.H.W.Dietz. 22 Euro. Foto: Dietz

 

 

Kunst: Bei den Nazis beliebt

Die berühmte Stunde Null nach dem Zweiten Weltkrieg, in der alles neu anfing, unbelastet von der schrecklichen Vergangenheit, hat es weder in der Politik, noch in der Wirtschaft oder der Gesellschaft gegeben –  und jetzt hat eine Berliner Ausstellung noch einmal umfassend dokumentiert, dass auch die Kunst mit dem alten Personal weitermachte: Die meisten der „Gottbegnadeten“ – so der Titel, den Adolf Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels 1944 genau 114 Malern und Bildhauern in Anerkennung ihrer Verdienste für das Nazi-Regime verlieh – werkelten ab 1945 in ihren Ateliers unbehelligt weiter und durften sich zudem über zahlreiche öffentliche Aufträge, Lehrtätigkeiten und Auszeichnungen freuen.…

Frauen: Ganz große Kunst

Die ganz große Kunst, so ein gängiges (Vor)Urteil, gibt es nur von Männern! Wirklich? Und wenn es großartige Künstlerinnen gab und gibt, warum weiß man so wenig über sie? In der Einführung des Kompendiums „Große Kunst von Frauen“ beschreibt die britische Kunstwissenschaftlerin Rebecca Morrill die vielen Hemmnisse, die Frauen jahrhundertelang von der Kunst fernhielten, angefangen von Verboten, Kunstschulen zu besuchen und Akte zu zeichnen. Aktzeichnen gehört aber zu den wichtigsten Fertigkeiten, die ein großer Maler lernen muss.
Insgesamt 400 Künstlerinnen aus 54 Ländern und aus 500 Jahren stellt Morrill jetzt vor. Jeder Künstlerin ist eine Seite gewidmet mit Lebensdaten, einem Hauptwerk und einer Kurzbiografie mit einer Einordnung. Bekannte Frauen wie Kiki Smith und Cindy Sherman, Niki de Saint Phalle und Pipilotti Rist, Shirin Neshat und Gabriele Münter sind dabei, aber auch viele unbekannte. Der Titel des Originals aus dem englischen Phaidon-Verlag ist übrigens treffender: Great Women Artists – denn es geht an erster Stelle um die Frauen, dann erst um ihre Kunst.

Zum Vorlesen:  Wintergeschichten

In Mexiko erzählt man sich die Sage vom Weihnachtsstern, dessen grüne Blätter Heiligabend über der Krippe plötzlich rot leuchteten, in der Ukraine kennen viele die Geschichte vom Handschuh, in dem sich alle Tiere gleichzeitig wärmen, und in Polen weiß man von einem Schneider, der „Mond“ (der hier weiblich ist) einen weichen Mantel näht. Achtzehn Märchen, Sagen und Fabeln aus aller Welt hat die britische Autorin Dawn Casey für dieses Buch neu aufgeschrieben. Mit dabei ist auch der Nussknacker von E.T.A. Hoffmann und die Schneekönigin von Hans Christian Andersen. Die Illustratorin Zanna Goldhawk steuerte wunderschöne, farbenfrohe Zeichnungen bei.

Dawn Casey/Zanna Goldhawk: Wir warten auf Weihnachten – mit den schönsten Wintergeschichten aus aller Welt. 96 S. Knesebeck. 18 Euro Foto: Knesebeck


 

Gehört werden:  Frauen auf der Flucht

Wie fühlt sich Flucht an? Wie erträgt man Fußmärsche durch mehrere Länder? Wieviel Angst kann man aushalten auf winzigen Booten dichtgedrängt auf offenem Meer?…

Kunst:  Spiel mit dem Raum

Gelernt hat er Maschinenbau. Doch nach dem Studium zog es den frischgebackenen Ingenieur zu einer ganz anderen Disziplin: zur Kunst. Und die hatte alsbald einen neuen Star. Seit Mitte der 1920er Jahre schuf Alexander Calder, 1898 in in Lawnton im US-Staat Pennsylvania geboren, mit unerschöpflicher Phantasie immer neue Skulpturen, mal winzig klein, wie sein berühmter aus Draht zusammengebogener „Zirkus“, mal riesengroß, wie sein stählernes Ensemble „Tetes et Queue“. Das zählt zu den bedeutendsten Schätzen der gerade wieder eröffneten Neuen Nationalgalerie in Berlin, das dem Amerikaner denn auch gleich seine erste Ausstellung „Minimal/Maximal“ widmete. Vor allem sind dort nun bis zum 13. Februar 2022 viele Mobiles zu sehen, als deren Erfinder Calder gilt: fragile, sorgsam austarierte abstrakte Kompositionen, bei denen oft schon ein Windstoß genügt, um sie in Schwingung zu versetzen, und die ihren Schöpfer zu einem Pionier der kinetischen Plastik machten. Bilder geben ihre Eleganz nur begrenzt wider, dennoch beweist dieser zur Ausstellung erschienene Katalog, mit welch spielerischem Einfallsreichtum der 1976 gestorbene Künstler arbeitete.…