Ist Weben weiblich?
Das zumindest fanden die Meister am Bauhaus. Entgegen ihrer eigenen Statuten, dass nämlich „jede Person ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht aufgenommen werden könne, deren Begabung anerkannt wurde“, drängten die Meister rund um Walter Gropius die Studentinnen in die Weberei-Werkstatt und hielten sie aus Tischlerei, Metallwerkstatt und Architekturklasse heraus.
Die Berliner Autorin Unda Hörner hat aus den Biografien von elf „Frauen am Bauhaus Dessau“ eine überaus lesenswerte Geschichte der Hochschule zusammengestellt. Die Frauen waren Künstlerinnen, Partnerinnen der Meister oder auch selbst Meisterinnen, und die Autorin zeigt ihren gemeinsamen Kampf gegen äußere und innere Widrigkeiten.
Unda Hörner: Frauen am Bauhaus Dessau, 144 S., ebersbach & simon, 20 Euro
Zeit für Suppe!
Der November ist der Monat der Suppe. „Zitronige Hühnersuppe“ mit Grünkohl zum Beispiel wärmt so richtig durch, und die „Cremige Selleriesuppe“ mit knusprigem Salbei macht satt und glücklich. Dass man aber auch die übrigen elf Monate genussvoll löffeln kann, beweist das neue Buch der Londoner Feinschmeckerin Emily Ezekiel, in dem etwa auf eine leckere Frühlings-Minestrone eine sommerliche Garnelen-Gumbo und eine „Miso-Ingwer-Ramen“ im Herbst folgt.…

An die neunzig geht er allmählich, aber ans Aufhören denkt er noch immer nicht. Dabei hat David Hockney bis heute schon ein ebenso großes wie großartiges Werk vollbracht – aktuell nachzuprüfen nicht nur in der Pariser Fondation Louis Vuitton (bis zum 31. August), sondern auch in diesem veritablen Klotz von einem Buch. Und was hat der nimmermüde Brite nicht alles in seinem langen Leben ausprobiert. Mit Pop-Art-Bildern wurde er in den Sechzigern bekannt, internationalen Ruhm trugen ihm ein paar Jahre später seine Swimming-Pool-Gemälde aus dem sonnendurchfluteten Kalifornien ein. Dann entdeckte er die Möglichkeiten der Fotografie, setzte aus Hunderten von Polaroids raffinierte Collagen zusammen. Und dazwischen entstanden immer wieder intime Porträts, von seinen homosexuellen Freunden, von seiner Familie und (oft richtig bunte) Landschaften, für die der Technik-Freak Hockney im Alter auch das ipad nutzte. Eine überwältigende Vielfalt also – hier ist sie handlich und vom Künstler selbst kommentiert versammelt.
In Deutschland zählt sie längst zu den wichtigsten Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts, aber gab es so etwas wie die „Neue Sachlichkeit“ auch jenseits der Grenzen? Mit rund 300 Werken aus 20 Ländern beweist das Chemnitzer Museum Gunzenhauser mit der Ausstellung „European Realities“ gerade, wie man sich in den zwanziger Jahren überall in Europa – nicht zuletzt als Reaktion auf die Katastrophe des Ersten Weltkriegs – kritisch mit der gesellschaftlichen Realität auseinandersetzte. Abstraktion und Expressionismus galten als gestrig, was sich auf den Strassen und Plätzen, in den Restaurants und Salons, den Fabriken und Büros abspielte, interessierte Künstler wie Otto Dix oder seine spanische Kollegin Maria Blanchard, Und dabei wurden auch ganz neue Themen entdeckt: der Sport etwa und vor allem die Rolle der Frauen. Selbstbewusst und schick in Schale blicken sie den Betrachter an, denn soviel war klar, eine neue Zeit war angebrochen. In Chemnitz (noch bis zum 10. August) und im begleitenden Katalog ist zu sehen, mit welch künstlerischem und sozialem Engagement europäische Maler darauf reagierten.
(Fast) alles über Schiffe!
Vor-Bilder? Vor Bildern?
Städter haben ja eher weniger Kontakt zu lebendigen Hühnern und wissen deshalb selten, dass Hühner sich gegenseitig erkennen und ihre Küken angeblich bis 5 zählen können. Das Federvieh ist nämlich überhaupt nicht dumm. Seine Gehirne ähneln den unseren.
Wie geht das eigentlich mit der Bestäubung? Verteilen auch Säugetiere Samen? Was machen die Reiher auf den Elefanten? Und wofür brauchen wir so dringend Bäume? Für Menschen ab sechs Jahren hat die spanische Illustratorin Marian Ruiz sich mit diesen Fragen beschäftigt und sie mit zauberhaften Zeichnungen und kleinen Texten erklärt.
In Düsseldorf hat man sich jetzt mit einem Thema beschäftigt, das uns alle angeht: Mama – mother, mère, madre, moeder, mor, mae. Der Untertitel umreißt den Zeitraum: von Maria bis Merkel.
Das Motto dieses Buches über die Kulturhauptstadt 2025 ist die sächsische Aufforderung „Damber ne rum, kumm endlisch“ (Trödel nicht rum, komm endlich). Die beiden Autoren haben sich jedenfalls daran gehalten, Chemnitz und Umgebung ausführlich besucht – und sind zu dem Ergebnis gekommen: Da muss man dieses Jahr unbedingt hin.
Waren schon ganz aufregend, die Achtziger – und wer noch mal nachschauen will, was in diesem turbulenten Jahrzehnt alles geschehen ist, der ist mit diesem üppigen Bildband gut bedient. Nicht zuletzt, weil es noch keine Handy-Kameras gab, sodass einem Fotos auf Schnappschussniveau weitgehend erspart bleiben. Aber zu sehen ist so ziemlich alles, was uns damals beschäftigt hat (und von dem wir vieles – tja – längst vergessen hatten): Ronald Reagan und Michail Gorbatschow machten sich daran, den Kalten Krieg zu beenden, Madonna stieg zum Weltstar auf, und die Graffiti-Kunst begann ihre internationale Karriere. Prince Charles heiratete Lady Di, der AIDS-Virus lehrte vor allem die Schwulenszene das Fürchten, und der Walkman machte NewWave und Beethoven endgültig transportabel. Sonderlich systematisch breitet der Band seine Schätze nicht aus – aber das ist nicht unbedingt ein Nachteil. Gerade dadurch wird die Fülle der Ereignisse, Trends und Moden augenfällig. Und was wohl auf jeden Fall stimmt: Damals begann, so Autor Carroll, „jene Zukunft, in der wir heute leben“.
Man glaubt es kaum, aber in England gedeihen Orangen, Limetten, Zitronen und Grapefruits, auch Rosen und Orchideen kann man entdecken. Zum Beispiel in den vielen Gärten Cornwalls, die nach Meinung von Sir Tim Smit, Musikproduzent, Gartenbauer und Archäologe, in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen werden müssten, wie er im Vorwort dieses Buches schreibt. In dem
Ein bisschen schmal ist er ja geraten, dieser Katalog zu der Berliner Ausstellung „Monet und die impressionistische Stadt“ (bis zum 26.1.2025 in der Alten Nationalgalerie), doch selbst auf diesen gerade mal 120 Seiten ist zu sehen, mit welcher Verve der Landschaftsmaler Monet im Jahr 1867 von einem Balkon des Louvre aus seine Heimatstadt Paris (die er längst verlassen hatte) auf die Leinwand brachte. Die alten Meister im Rücken entdeckte er die Moderne, und sein faszinierter Blick auf die neue pulsierende Metropole, die der Stadtplaner Georges-Eugène Haussmann erst kurz zuvor aus dem Mittelalter in die Gegenwart katapultiert hatte, wurde stilbildend für eine ganze Reihe von Künstlern wie Gustave Caillebotte oder Camille Pissarro. Wie sehr den Impressionisten Monet das Motiv Stadt beschäftigte, dokumentiert auch die aktuelle Ausstellung „Monet and London – Views Of the Thames“ in der Londoner Courtauld Gallery (bis zum 19.1.2025): Auf einer Serie von 18 Bildern taucht der Maler die Waterloo- und die Charing Cross Bridge und das Westminster-Parlament in ein Bad aus flimmernden Farben und Formen.
Er kann nicht nur kochen, er kann auch davon erzählen. Stevan Paul, der in Sterneküchen gelernt hat, ist mittlerweile Autor für Zeitschriften und Rundfunk und hat bereits ein gutes Dutzend Bücher veröffentlicht. Im neuesten erzählt er uns dreizehn Geschichten über kulinarische Erlebnisse: wie etwa eine Zukunft ohne Fleisch aussehen könnte, wie sich Massagen beim Bäcker anfühlen oder was die Kichererbsen der verwirrten Senora Dolores so besonders macht. Und dabei nimmt er uns mit von Berlin nach Japan, von Spanien nach Indien, und zu jeder Geschichte kredenzt er ein passendes Rezept – zum Beispiel den Chicorée Salat mit Miso-Paste, eine gut geknetete Focaccia, einen Cheeseburger mit Pilzen oder Currywurst mit Ananassaft. Nicht zu vergessen der Kichererbsen-Eintopf der unvergesslichen Senora Dolores!
Ein Cartoonist ohne Humor? Gibt es nicht! Zeichnen können viele, aber für einen richtig guten Cartoon braucht man schon viel Humor, gern auch völlig schrägen. Und genau beobachten sollte man ebenfalls können.
„Wir beide sind ganz verrückt nach Nudeln“, schreibt das Autorenpaar in seinem Vorwort. Für dieses Buch sind die beiden durch die Welt gereist, haben unterschiedliche Nudeln, überraschende Zubereitungsarten, verschiedene Soßen, unbekannte Gewürze und eben die leckersten Rezepte gesammelt. So kann man sich hier von Italien (Rigatoni Carbonara) über Belgien (Casarecce mit Miesmuscheln) nach China (Chow Mein), über Vietnam (Bun Bo Hue) und Japan (Ramen) bis nach Korea (Feuertopf) rund um den Globus und durch 75 herrliche Nudelgerichte probieren. Dazu gibt es jede Menge Tipps für Zutaten und Toppings.
Einsamkeit war sein großes, beherrschendes Thema. Und wo ließ sie sich eindringlicher und trostloser darstellen als in einer Großstadt wie New York? Bis zu seinem Tode 1967 malte Edward Hopper (geb. 1882), der seit 1913 in der Metropole am Hudson River gewohnt hatte, immer wieder verlorene Menschen, die abwesend vor sich hinstarren, und verlassene Straßen, deren Ödnis von der Leere in der Millionenstadt künden. Das Whitney Museum, das Hoppers umfangreichen Nachlass bekam, widmete dem Künstler 2022 die große Ausstellung „Hopper’s New York“, und Lutz Schirmer, Deutschlands umtriebigster Kunstverleger, spendierte sich und allen Hopper-Fans jetzt zum 50-jährigen Jubiläum seines Verlags die deutsche Ausgabe des Katalogs: ein opulenter Prachtband, der noch einmal mit einer geradezu überwältigenden Materialfülle den prominenten Rang belegt, den Amerikas bedeutendster Realist in der Geschichte der Klassischen Moderne einnimmt. PM
Der Architekt und Designer Matteo Thun, geboren 1952 in Südtirol, ist sicher einer der Vielseitigsten seiner Zunft. Er hat nicht nur 1981 die epochemachende Gruppe Memphis mit Ettore Sottsass zusammen gegründet und war Professor an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, er entwarf u.a. auch mit seinem eigenen Büro Uhren für Swatch und Vasen für Tiffany, baute ein Hotel in Venedig und eines in Hamburg.
Welcher Ort für jemanden zum „Soul Place“ wird, ist natürlich ganz individuell. Der eine braucht tiefe Stille oder fröhliche Lebendigkeit, der andere beeindruckende Architektur oder großartige Natur. Der Verlag Reise Know How hat sich das zum Prinzip für seine Reiseführer gemacht. In diesem gibt der Autor Dr. Andreas Drouve, gelernter Germanist, Hispanist und Völkerkundler, seine spanischen Seelenplätze preis – achtzig an der Zahl.Dazu gehören so bekannte wie La Seu, die Kathedrale in Palma de Mallorca, oder Ronda, die kleine Stadt mit dem großen Canyon, aber auch einsame Buchten im Naturpark Cabo de Gata-Nijar oder der Friedhof von Alcoi. Jedem Platz ist eine Doppelseite gewidmet mit Fotos, ausführlicher Beschreibung und Begründung, warum es ein Soul Place ist, und außerdem hilfreichen Adressen, Webseiten und Terminen. In einer Übersichtskarte sind alle „Soul Places“ eingezeichnet – man muss also nur noch hinfahren.
„Für Cottage-Gärten“, schreibt der britische Fotograf und Autor Mark Bolton, „gibt es keine Regeln…..jeder kann so einen wilden, bescheidenen und genügsamen Garten gestalten“. Damit wir Leser aber doch ein bisschen Hilfe bekommen, hat Bolton dieses Buch gemacht. Darin erläutert er, wie er seinen kleinen Garten angelegt und mit viel Geduld zu großer Pracht gebracht hat. Er nimmt uns mit durchs Gartenjahr, erklärt, was wann gemacht werden muss, empfiehlt Werkzeuge und Pflanzgefäße, wirbt für einen Schuppen und einen Komposthaufen, und nicht zuletzt gibt der Fotograf Tipps, wie man sein Paradies im Bild festhält. Ergänzt wird der üppige Band mit vier Reportagen anderer Gärten und einem ausführlichen Pflanzenregister.
Ach, was waren das für Zeiten, als das Glück von Abermillionen Musikfans in einer 30 mal 30 Zentimeter großen Papphülle steckte, die man ebenso stolz wie sorgsam nach Hause brachte, dort noch mal eingehend das Bild vorne drauf betrachtete, um dann eine runde Scheibe hervorzuziehen und sie vorsichtig auf einen Plattenteller zu legen und dann…Vorbei.
Garten-Fans kennen natürlich den Namen Karl Foerster (1874-1970), des legendären Gärtners und Pflanzenzüchters. Und manch einer hat schon seinen prachtvollen Garten in Potsdam-Bornim besucht. Von1990 bis zu ihrem Tod 2010 übernahm Tochter Marianne Foerster, die bei ihrem Vater gelernt hatte und anschließend dreissig Jahre in Belgien arbeitete, die Leitung des Anwesens. Heute gehört es der Marianne-Foerster-Stiftung. Ihr Garten-Tagebuch von 2003 hat der Landschaftsarchitekt Ulrich Timm jetzt ergänzt und aktualisiert, und ausserdem ist der Band mit neuen prächtigen Fotos von Ferdinand Graf Luckner illustriert worden. So kann man den Autoren durchs Gartenjahr folgen, bekommt Tipps zum Bepflanzen verschiedener Stauden, Gräser und Blumen und Empfehlungen für Farbkompositionen, zum Beispiel dieser: „Es gibt niemals genug weiße Blüten in einem Beet, Weiß trennt und verbindet, hebt andere Farben hervor, Weiß ist unerlässlich.“
Erstaunlich, wie viele Literaten sich Gärten anlegten, in der Natur schrieben und gerne Bäume, Stauden, Hecken, Gemüse und Blumen pflanzten.
Von ihr stammt das fast schon ikonische Foto der jungen Amerikanerin, die 1951 ebenso so beklommen wie tapfer auf einer Straße in Florenz an einer Gruppe gaffender und feixender Männer vorbeigeht – doch das ist längst nicht das einzige Bild, mit dem die US-Fotografin Ruth Orkin (1921-1985) das frühe Selbstbewusstsein von Frauen im 20. Jahrhundert dokumentierte. Immer wieder richtete sie in den vierziger und fünfziger Jahren ihre Kamera auf Geschlechtsgenossinnen, die sich in einer ziemlich überheblichen Männerwelt durchzusetzen wussten oder auch einfach ihren eigenen Weg gingen. Und ob es ein Filmstar wie Lauren Bacall war, eine Kellnerin oder eine Stewardess, sie alle hatten mit Konventionen wenig am Hut. Lange galten viele dieser eindrucksvollen Aufnahmen als verschollen – für die Berliner Ausstellung „Women“ (noch bis zum 18. Februar) wurden sie jetzt wiederentdeckt, und der Katalog präsentiert sie für die Zeit danach. PM
Heute, in den Zeiten von GPS und Google Maps, sind sie weitgehend entbehrlich, aber bis vor ein paar Jahrzehnten wurden sie dringend gebraucht, wenn es darum ging, sich in der Welt zurechtzufinden. Und so haben Karten (und Atlanten) denn auch eine lange Karriere hinter sich, wie der britische Historiker Philip Parker in diesem höchst informativen Buch beweist. Sie beginnt um 6000 v. Chr. in der kleinasiatischen Siedlung Çatalhöyük mit einer kruden Zeichnung auf einem Stein, um danach immer wieder neue und oft verblüffende Anläufe zu verzeichnen, die Erde möglichst genau darzustellen, bis dann im 16. Jahrhundert gleich zwei Kartenwerke entstehen, die bis heute als Klassiker gelten: die prächtigen Atlanten der Kartografen Abraham Ortelius und Gerardus Mercartor. Seither wurden die Karten immer präziser – und gelegentlich auch perfider. So wurden aus politischen Gründen Grenzen verschoben oder Namen falsch wiedergegeben. Fazit nach 250 Seiten spannender Lektüre: Karten ersetzen zwar kein Geschichtsbuch, aber wie der Mensch sein Wissen über seinen Planeten erweiterte, darüber geben sie sehr anschaulich Auskunft.