Kunst: Kultbild mit Vergangenheit

Ein passenderes Weihnachtsbuch für Freunde alter Kunst könnte es kaum geben: Kein anderes Bildthema hat die Künstler der italienischen Renaissance so fasziniert wie die „Madonna mit Kind“. Bekanntestes Beispiel: die „Sixtinische Madonna“ von Raffael – heute kostbarer Schatz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.

Die widmen nun, zum 500. Todestag des Meisters, der Geschichte dieses Kunstwerks eine Ausstellung im frisch renovierten Semperbau am Zwinger – und das Begleitbuch dokumentiert die spektakuläre Karriere des Bildes: Raffaels Madonna wurde zum Inbegriff von Schönheit, und die beiden Puttenfiguren am unteren Bildrand tauchten als „Raffaels Engel“ millionenfach in der Werbung oder als Weihnachtsmotiv auf. Neben den anderen Madonnenbildern von einem der größten Maler der Kunstgeschichte sind in dem schönen Band auch Mariendarstellungen von berühmten Zeitgenossen wie Botticelli zu sehen. Ab 8. Dezember ist der Katalog im Buchhandel, selbst wenn die Ausstellung wegen Corona-Beschränkungen verschoben werden sollte. UvS.

Stephan Koja (Hrsg.): Raffael und die Madonna. Hirmer Verlag. 152 S., zahlr. Abb., 29,90 Euro. Foto: Hirmer

 

Foto: Zeitreise

Das 20. Jahrhundert, das später das „Amerikanische“ genannt werden sollte, hatte noch nicht begonnen, da startete die Detroit Photochrom Company ein kühnes Unternehmen. Sie beschloss, mithilfe des kurz zuvor entwickelten Photochromverfahrens die USA erstmals per Farbfotografien zu erschließen und das Ergebnis auf Tausenden von Postkarten auf den Markt zu bringen. Bis in die 1920er Jahre dauerte diese Bestandsaufnahme, die bald auch größere Formate umfasste – und was für spektakuläre Aufnahmen dabei entstanden, ist in diesem gewaltigen Wälzer zu bewundern, den der Taschen-Verlag jetzt in gewohnter Opulenz veröffentlicht hat. Das üppige Format ist dem Thema durchaus angemessen, denn zwischen den Straßenschluchten von New York und San Francisco erstrecken sich knapp acht Millionen Quadratkilometer, die so ziemlich alles boten, was Natur und Mensch im Laufe der Zeit hervorgebracht hatten. Ob rauschende Flüsse oder riesige Seen, schroffe Gebirge oder endlose Wüsten, ob verlassene Goldgräberdörfer oder boomende Metropolen, elende Slums oder prächtige Herrenhäuser – die USA hatten alles. Und wir können es jetzt von neuem bestaunen – eine Zeitreise, bei der einem die Augen übergehen. PM

Marc Walter, Sabine Arqué: America 1900.588 S.,Taschen Verlag, 50 Euro. Foto: Taschen

 


 

Stil: Feines Futter

1400 Gäste lud der amerikanische Präsident Richard Nixon 1969 in ein Hotel zu einem Staatsbankett nach Los Angeles. Üblich waren eigentlich nicht mehr als 140 Gäste. Aber der erste Mann auf dem Mond war sicherlich ein richtig guter Anlass für ein so riesiges Dinner. Serviert wurden Lachs mit Flusskrebs und Kohlrabi, Filet mit Artischocken und Trüffel, und zum Dessert „Claire de Lune“ aus Baiser, Eiscreme und Fruchtsosse.

Ein bisschen frugaler ging es 22 Jahre vorher zu. Als Kronprinzessin Elisabeth am 20.November 1947 ihren Philip Mountbatten heiratete, wurden Seezunge, Rebhuhn und eine Eisbombe serviert. Die Hochzeitsgeschenke waren der Zeit angemessen eher praktisch: handgestrickte Bettsocken, eine Nähmaschine und 500 Kisten Dosenananas.
Die Autorin Anne Petersen hat für ihr Buch ganz besondere Essen gesammelt und erzählt von aufregenden Vorbereitungen, ungewöhnlichen Dekorationen und auch kleinen Missgeschicken. Sie beschreibt Hochzeitskleider (Grace Kelly) und rauschende Feste (Frida Kahlo), erzählt von friedlichen Weihnachtsessen in Kriegszeiten (Thomas Mann) und Ehen aus Staatsräson (Napoleon Bonaparte). Dazu stellt sie die Rezepte der servierten Menüs. Sehr amüsant!

Anne Petersen: Legendäre Dinner. Unvergessliche Rezepte berühmter Gastgeber, 224 S., 180 Abb., 36 Euro, Prestel. Foto: Prestel

 


 

Kunst: Ganz nah dran

Vor rund 500 Jahren unternahm Albrecht Dürer eine Reise in die Niederlande, die zu einem Höhepunkt seines künstlerischen Lebens wurde. Ob die dazu geplanten Ausstellungen in Aachen und London jetzt stattfinden, ist zwar wg. Corona ungewiss – die Buchprojekte zum Jubiläum werden jedoch erscheinen, darunter diese opulente Publikation des Renaissance-Spezialisten Till-Holger Borchert, Chef der Städtischen Museen von Brügge.

Er lädt den Leser ein, Dürers Kunst – ob in Malerei, Zeichnung, Kupferstich oder Holzschnitt – im Detail in Augenschein zu nehmen: gerade bei dem Meister aus Nürnberg (1471–1528) ein sehr lohnendes Unterfangen. Kaum ein Künstler vor oder nach ihm hat je so detailversessen und wirklichkeitsgetreu gearbeitet; seien es die Fellhaare des vertrauten „Feldhasen“ (1502), die Grashalme aus dem „Großen Rasenstück“ (1503) oder die Locken der „Jungen Venezianerin“ (1505) – der Leser kann die Feinheiten nahezu in Originalgröße betrachten und zudem in ganzseitigen Detailaufnahmen studieren. Dazu kommen kenntnisreiche und dennoch gut verständliche Texte zu Werkphasen und Stilentwicklungen.

Die Aura eines Originals bleibt immer unerreicht, aber gerade bei Dürer ist ein Bildband in so überzeugender Druckqualität dann doch ein respektabler Ersatz – so nahe könnte man im Museum den Werken kaum kommen. UvS
Till-Holger Borchert: Dürer. Meisterwerke im Detail. Verlag Bernd Detsch. 288 S., ca. 200 Abb., 29,95 Euro. Foto: Verlag Bernd Detsch

 


 

Foto: Wahrzeichen

Das „Herz von Paris“ drohte stehenzubleiben, als am 15. April 2019 in der Kathedrale von Notre Dame ein Feuer ausbrach und innerhalb weniger Stunden weite Teile des gotischen Gotteshauses zerstörte. Anderthalb Jahre später versucht der Schirmer/Mosel-Verlag jetzt, in diesem Buch die Geschichte und Bedeutung des berühmten Wahrzeichens, das seit 1991 zum Weltkulturerbe gehört, nachzuzeichnen und zugleich zu dokumentieren, wie sich die Fotografie der Kirche angenommen hat. Das neue Medium kam gerade rechtzeitig, um Mitte des 19. Jahrhunderts die umfangreiche Restaurierung zu begleiten, die der Architekt Eugène Viollet-le-Duc damals durchführte; dass der Bau mit den zwei wuchtigen Türmen auch danach ein attraktives Motiv war, belegen Aufnahmen, die bis zu den Arbeiten von Thomas Struth reichen. Am Ende stehen Fotos vom Brand – sie beschließen nicht nur ein bemerkenswertes Stück Kulturgeschichte sondern auch eine respektvolle Hommage an eines der markantesten Bauwerke Europas. PM

Lothar Schirmer (Hrsg.): Notre Dame de Paris. Bilder einer Kathedrale. 176 S., 99 Tafeln. Schirmer/Mosel. 39,80 Euro. Foto: Schirmer/Mosel

 


 

Stil: Traute Heime

Ein Märchenschloss in der französischen Dordogne hatte es Josephine Baker, einst weltberühmt für ihre frivole Tanznummer mit einem Bananenrock, vor gut 80 Jahren angetan. 1938 zog sie in „Les Milandes“ ein, wenige Jahre später kaufte sie es. Und nach und nach wurde wurde das stattliche Anwesen mit seinen 24 Zimmern, mit Pool, drei Restaurants, einem Nachtclub, einer Bühne und einem Wachsfigurenkabinett für sie und ihre schließlich zwölf adoptierten Kinder aus aller Welt zu ihrem viel besuchten Lebensmittelpunkt, der bis heute besichtigt werden kann.
Das „Russenhaus“ der Malerin Gabriele Münter wiederum im bayrischen Murnau war ihr erst Paradies, in dem sie mit Wassily Kandinsky ihre Liebe lebte, dann wurde es zum Versteck, als der geliebte Mann sie verlassen hatte.
Anhand ihrer Häuser und Wohnungen erzählt die Autorin Gabriele Katz die Biografien von bekannten Künstlerinnen, darunter auch Eileen Gray, Virginia Woolf und Coco Chanel. Das ist detailliert recherchiert und locker aufgeschrieben. Nur ein paar mehr Bilder der Häuser innen und außen, gern auch farbig, hätten dem Büchlein sehr gut getan.

Gabriele Katz: Künstlerinnen und ihre Häuser. 145 S., 99 Tafeln. Ebersbach & Simon. 18 Euro.
Foto: Ebersbach & Simon

 


 

Foto: Sichtweise

Kleiner Tipp vorweg: Ersparen Sie sich den einleitenden, hochgelehrten Essay der Kulturwissen-schaftlerin Elisabeth Bronfen und gucken sich lieber gleich die rund 160 Aufnahmen an. Eine eindrucksvolle Reise durch die Geschichte der Fotografie steht Ihnen bevor, und Ihre Begleiter sind allesamt Frauen, denn alle Frauenbilder des Bandes stammen von Frauen. Schwer zu sagen, ob es einen speziellen „weiblichen Blick“ gibt, doch auffallend ist, mit welcher Anteilnahme sich die Fotografinnen ihren Modellen nähern, wie sie versuchen, die Persönlichkeit der Porträtierten festzuhalten. Die frühesten Aufnahmen stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und zeigen sehr ernste junge Damen; gelächelt oder gar gelacht wurde nie, erst Anfang des 20. Jahrhunderts kam Bewegung in die Porträtierten, und auch Akte entstanden. Ein spannendes Buch ist so zusammengekommen, mit Bildern, die oft von verblüffender Eindringlichkeit sind. PM

Lothar Schirmer (Hrsg.): Frauen sehen Frauen. 280 S., 159 Tafeln. Schirmer/Mosel. 39,80 Euro. Foto: Schirmer/Mosel

 


 

Reise: Träumchen

Kann schon sein, dass die Koffer noch einige Zeit auf dem Schrank bleiben  werden – aber muss man deswegen aufs Reisen verzichten? Überhaupt nicht, solange es Bücher wie dieses gibt. Damit kann man sich nämlich – sehr bequem – vom Sofa aus auf den Weg machen. Genau 100 Reisen hat Barbara Ireland, lange Jahre leitende Redakteurin bei der „New York Times“, wo diese Beiträge zum ersten Mal erschienen sind, dafür ausgesucht. Und so folgt man nun amerikanischen Autoren, wie sie über einen Wochenmarkt im Wachantal in Tadschikistan schlendern, an der Küste im südwalisischen Pembrokeshire durch den Regen wandern oder im Sawtooth Park von Idaho die Angel ins Wasser werfen. Ausgelatschte Touristenrouten sucht man hier vergebens, dafür gibt es jede Menge Abenteuer. Und weil der Band auch noch reich illustriert ist, möchte man am liebsten gleich selbst…Wenn es mit der Pandemie doch bald ein Ende hätte! PM

New York Times Explorer: 100 Reisen rund um die Welt. 712 S. Taschen. 30 Euro. Foto: Taschen

 


 

Foto: Schlüsselfertig

Wenn am 17. Dezember der erste Teil des Humboldt Forum im Berliner Schloss  www.humboldtforum.org wenigstens digitel eröffnet wird, dann wird eine lange, komplizierte Baugeschichte ihr gutes Ende finden. So jedenfalls liest sich das Buch „Das Berliner Schloss“ von Rainer Haubrich, in dem er alles über den Palast erzählt. Dessen Anfang liegt im Jahre 1443, als Kurfürst Friedrich II., genannt „Eisenzahn“, das erste burgähnliche Schloss bauen ließ. 1699 begann der Architekt und Bildhauer Andreas Schlüter mit dem Bau des imposanten Schlosses für Friedrich I., den König von Preußen, das in Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde und zu DDR-Zeiten schließlich „Erichs Lampenladen“, dem Palast der Republik, weichen musste. Der wiederum wurde nach der Wiedervereinigung wegen großer Asbestbelastung abgerissen.
Der Platz war frei für einen Neubau.
Doch nun wurde erst einmal diskutiert, was die Berliner haben wollten: Eine Neukonstruktion des alten Schlosses oder einen zeitgemäßen Prachtbau? Auch diesen Ideenstreit dokumentiert Haubrich in seinem lesenswerten Buch, und er zeigt alle Entwürfe, die für einen Wettbewerb eingereicht wurden.
Den Zuschlag bekam schließlich der italienische Architekt Franco Stella mit einer Kombination aus wieder auferstandener Schlossfassade und hochmodernem Innenleben. 2012 war der erste Spatenstich, und als Buch zum Bau kommt Haubrichs Beitrag jetzt gerade richtig.

Rainer Haubrich: Das Berliner Schloss. 144 S., 70 Fotos. Braus. 19,95 Euro. Foto: Braus