Unser Autor

Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de, außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com

                                
                                                   Was Ungarn so alles reden

Der „Schäferhund“ heißt auf Ungarisch „Schwänziger-Hund“ (farkas kutya) – die anderen Hunderassen haben andere Namen, damit man sie von den Schwänzigern unterscheiden kann. Das versteht jedes ungarische Kind.
Sie, die ungarischen Kinder, begrüßen Erwachsene mit „Küss‘ die Hand!“ Männer grüßen Frauen ebenso. Und junge Frauen begrüßen ältere Männer nicht anders. Also grüßen wir, meine junge Gemüsehändlerin und ich, uns gegenseitig mit „Küss‘ die Hand!“ Und da das deutsche Wort „bitte“ in der höflichen ungarischen Variante, „es möge Ihnen gefallen…“ heißt, empfängt sie mich regelmäßig am Eingang mit: „Es möge Ihnen gefallen, sich herein zu bemühen!“ Und im kalten Winter, mit vereisten Gehwegen, bittet sie mich: „Es sollte Ihnen heute nicht gefallen, auszurutschen!“ (Übrigens: die Franzosen haben auch ihr „S’il vous plait“).     
Bereits nach diesen wenigen Beispielen wird es verständlich, dass sich der irische Dramatiker Sir Bernard Shaw einst in die ungarische Sprache verliebte. Er bedauerte, dass sie nicht seine Muttersprache war, denn sein „Lebenswerk wäre dadurch viel wertvoller gewesen“. Weil man doch „auf dieser seltsamen von uralter Kraft erfüllten Sprache viel genauer die winzigen Verschiedenheiten, die feinen geheimen Regungen der Gefühle, beschreiben kann.“  
Zweifellos. Und wohl kaum einer kann das in Ungarn gerade besser als Viktor Orbán, zurzeit Ministerpräsident. Doch vor seinem berühmtesten Zitat die kurze Vorgeschichte:
Der schlaue Taktiker Orbán entzog bereits vor Jahren den Oppositions-Radios
die landesweite Sendegenehmigung. Auch die Sendungen des heldenhaft opponierenden Klubrádiós kann man seither außerhalb Budapests nicht empfangen – nur im Internet sind sie noch zu hören und sehen. Zwei Drittel der Tageszeitungen gehören schon lange dem Orbán-Clan, die restlichen bekommen die „Nachrichten“ vom staatlichen Pressebüro (MTI). Die wichtigste Tageszeitung der Opposition in Budapest, Népsabadság („Volksfreiheit“), wurde 2016 von einem österreichischen Freund Orbáns dem schweizerischen Vorbesitzer (von wessen Geld, darf man raten) abgekauft und sogleich eingestellt.
Aber zwei der ehemaligen Redakteure halten mit interessanten Gästen jeden Donnerstag-Abend im Klubrádió den freiheitlichen Geist lebendig. Die Sendung beginnt jedes Mal, sozusagen als Vorspann, mit einem Orbán-Zitat. Der Regierungschef hatte 2018 im vollbesetzten Plenarsaal des Europa-Parlaments in Straßburg auf Ungarisch einen Satz von sich gegeben, der in der Übersetzung lautet: „Wir würden uns niemals dazu herablassen, jemanden mundtot zu machen, der anderer Meinung ist als wir.“ Dann kommt: Ein riesiges Gelächter der Parlamentarier.
Schließlich das Allerbeste: Sie können das Ganze nachhören. Sie brauchen ins Internet nur https://klubradio.hu/archivum einzugeben, dort erscheint: Keresés az archívumban (Suche im Archiv), darunter, weiß unterlegt: Az összes müsor (Alle Sendungen), dort auf v klicken, dann erscheinen alle Sendungen alphabetisch. Also bis auf F hinuntergehen: Folyt. köv. – Volt egyszer egy Népszabadság
(Es war einmal…)
Viel Spaß!  Fotos: privat/klubradio