Unser Autor

Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de, außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com

                                                         Der Kampf tobt

Begonnen hat er im Herbst vergangenen Jahres. Während der landesweiten Kommunalwahlen haben sich die neun Oppositionsparteien zusammengerauft: Die jeweils eigenen Kandidaten sind im Rennen um den Bürgermeisterposten zugunsten der aussichtsreichsten Mitbewerber einer anderen  Oppositionspartei zurückgetreten. Der Erfolg war für alle überraschend. In den meisten Gemeinden siegte die Opposition. Besonders wichtig war und ist Budapest, wo der junge Politiker der Partei DIALOG Gergely Karácsony (Bedeutung des Nachnamens: „Weihnachten“) zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Er hat sogleich sein Veto gegen einen Stadionbau eingelegt und auch gegen die Einrichtung eines Museumsviertels im ältesten öffentlichen Park Europas – mitten in Budapest.
Viktor Orbán war und ist immer noch schockiert. Seine gewohnte Weihnachtsrede hat er nicht vor dem Parlament gehalten, sondern in der eher kleinen Musikakademie – vor geladenen Gästen.
Zwar kann der Ministerpräsident weiter so gut wie jedes Gesetz mit seiner Zwei-Drittel-Mehrheit durchs Parlament bringen. Trotzdem: Es gibt eine gewisse Wende im Land. Die Menschen waren daran gewöhnt, dass der jeweilige erste Mann des Städtchens aus Orbáns Gnaden befiehlt, stiehlt und stehlen lässt. So taten es auch die meisten Bürger, die es konnten. Das hat sich geändert. Man müsste sich schämen, sagt man – ein neues Gefühl. Die neuen Bürgermeister räumen inzwischen die übelriechenden Hinterlassenschaften ihrer Vorgänger weg – höre ich gerade im Radio.  

Roma-Kinder in Ungarn

Selbst das oberste Gericht fällt erfreuliche, neuartige Urteile. So im Fall der ausgegrenzten Roma-Kinder in Gyöngyöspata, Ostungarn: Wie die Schülerinnen und Schüler vor Gericht berichteten, wurden sie in getrennten Klassen – so gut wie nicht – unterrichtet. Nach acht Jahren konnten sie gerade schreiben, kaum lesen. Sie bekamen keine Hausaufgaben – „weil sie sie sowieso nicht hätten bewältigen können“, so die Begründung. Die allerdings stimmte. So miserabel war der Unterricht.  Zudem durften sie nicht ins Schwimmbad, nicht zum Faschingsball, Schulausflug etc.
Das erste Urteil zur Wiedergutmachung des Bezirksgerichts wurde angefochten, das zweite, schon in Budapest, auch. Endlich wurden den jungen Leuten wegen der verfassungswidrigen Behandlung 99 Millionen Forint, ca. 35 Millionen Euro, zugesprochen. Es ist zwar keine optimale Lösung, denn ihr Leben wurde verpfuscht, und das ist kaum wieder gut zu machen. Aber immerhin ein Zeichen.
Wohl deshalb schimpfte Viktor Orbán, ohne das Wort „Roma“ zu benutzen: „Eine Minderheit bekommt viel Geld, obwohl sie nichts dafür getan hat.“
Da gibt es für die ungarischen Roma-Verbände – und fürs ganze Land – recht viel zu tun.
Doch jetzt schon eine neue gute Nachricht: Der erste rechtskräftig verurteilte Abgeordnete der  Regierungspartei Fidesz, Roland Mengyi, hat am 14. Januar 2020 seine vierjährige Haftstrafe angetreten. Das Gericht verurteilte ihn in zweiter Instanz wegen gemeinschaftlich versuchter Unterschlagung von 500 Millionen Forint, ca. 1,700 000 €, die als EU-Unterstützung für sozial tätige Vereine ausgewiesen waren.
Und schließlich: Die Fidesz bleibt weiterhin aus dem konservativen EU-Parteienverbund EVP suspendiert.
Gut für Ungarn.    Fotos: privat/Humanium