Unser Autor

Peter Meleghy berichtet aus Ungarn

Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Webseite www.ungarnaktuell.de , außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com 

Corona in Ungarn

Die Zahlen: Zurzeit sind 300 Menschen infiziert (Stand 27.3.2020). Die verhältnismäßig niedrige Zahl liegt vermutlich daran, dass der Nachweis bisher nur an wenigen Stellen möglich war. 1.500 Bürger sind in Quarantäne, zehn erkrankte sind gestorben und 34 genesen.

Fiebermessung in Budapest

Die Regierung war anfangs unsicher, zögerlich, hat die Epidemiologen aber erstmal nicht gefragt. So waren die vielen Thermalbäder noch Wochen nach den ersten Erkrankungen geöffnet. Seit dem 16. März sind sie endlich geschlossen, genau wie alle Kinos, Theater, Museen, Einkaufszentren und Geschäfte, außer Lebensmittelläden und Apotheken. Schulen und Kindergärten wurden ebenfalls geschlossen, was ein anderes Problem birgt: Kinder erkranken auch am Virus, ohne es zu merken und ohne Symptome zu zeigen. Dafür können sie andere, zumal die Großeltern, anstecken.
Und leider funktioniert der digitale Unterricht in Ungarn noch nicht so wie etwa in Dänemark, von wo eine ungarisch-stämmige Hörerin im Klubradio berichtete: Ihr kleiner Sohn sitzt vor seinem Laptop am Esstisch, folgt dem Schulunterricht mit dem bekannten netten Lehrer und amüsiert sich über das lustige kleine Lehrfilmchen.
Gestern war ich kurz im gut besuchten „DM“, meiner Wohnung gegenüber, und sah entsetzt, dass die Bediensteten keine Schutzmasken trugen. Die seien seit Januar ausverkauft, sagte mir eine von ihnen. Im „Spar“ nebenan auch kein Schutz. Ich trage auf Anraten meiner Hausärztin, wenn ich aus dem Haus gehe, einen dicken schwarzen Schal um Hals und Gesicht, der auch meine Nase bedeckt. Aber mittlerweile bleibe ich fast durchweg daheim: Eine hübsche 16-jährige Nachbarin hat sich bereit erklärt, für mich einzukaufen.
Zur Unterhaltung der vielen Menschen in ihren Wohnungen gibt es einige „Quarantäne-Theater“ im Internet. Zu sehen ist etwa „Die Pest“ von Albert Camus. Nebenan läuft ein Rap-Musical: „Händewaschen!“ Darin kämpft ein Arzt gegen tanzende Viren. Dabei verschwindet der Weißkittel immer wieder, um die Hände zu waschen – während sich die Viren fleißig vermehren. Lustig oder?

Sprechende Statistik
Durch die Corona-Krise können weltweit große und kleine Firmen nicht arbeiten. Passagier- und Warentransport-Flugzeuge fliegen nicht, Schiffe fahren nicht. Dadurch hat sich die weltweite Luftverschmutzung signifikant vermindert. 
Wie die Statistiken zeigen, war die Zahl der Menschen, die in den letzten Monaten an den Auswirkungen der Luftverschmutzung starben, wesentlich niedriger als sonst. Und die Zahl ist auch niedriger als die der Opfer des Corona-Virus. 
Ob sich die Entscheider dies bis nach der Epidemie merken können? Vermutlich nein.  

Das Letzte aus Ungarn
Orbán will die totale Macht, und das Corona-Virus bietet ihm eine Möglichkeit dazu. Er kann während des Ausnahmezustands jedes Gesetz per Verordnung durchbringen. Als Übung hat er schon mal Soldaten zu Firmen geschickt – die ihm gefielen oder auch nicht. Sie sollten nur nachschauen, ob alles in Ordnung sei.
Über das Gesetz zur Verlängerung des Ausnahmezustandes auf unbestimmte Zeit hat das Parlament am 23. März abgestimmt. Zu Orbáns Bedauern wurde die vorgeschriebene vier Fünftel Mehrheit nicht erreicht. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen. Bei der Wiederholung am 30. März reichte eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Annahme. Die hatte Orbáns Partei und das kann gefährlich werden.