Nachrichten aus einem kleinen Land

Unser Autor

Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de, außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com

                                          

                        

                                            Rückblick an den hoffnungsvollen Spätfrühling, Sommer 2020

                                                                         & viele Seltsamkeiten um Corona

Viktor Orbán, selbsternannter Vater der ungarischen Nation, riet per Rundfunkansprache allen, die in den Sommerferien verreisen wollten, nicht an die Adria zu fahren. Dort seien zu viele Ausländer, die vermutlich schon das Virus in sich tragen und Fremde gern anstecken.

Besser sei es, an den heimischen Plattensee zu fahren, dort sei man wenigstens unter sich. Ein guter Rat – oder?

Ich dachte dabei an meine Kindheit und die langen Schulferien.

Der Plattensee

Wir, mein kleiner Bruder und ich, liefen bei schönem Wetter täglich hinunter zum Strand. Kein Zaun, kein Eintrittsgeld – die guten Seiten des Sozialismus. Wir schwammen zwei Kilometer ins nächste Dorf, kamen zu Fuß durch Obstgärten zurück in unser Häuschen hoch in den Hügeln mit Blick auf den See. Auf uns wartete schon Tante Ilonka, die ältere Schwester unserer Mutter. Am liebsten war es uns, wenn sie uns mit duftenden Marillenknödeln empfing.    

Heutzutage indes kann es unangenehm werden, im Plattensee zu baden, wie meine Nachbarin in Budapest berichtete. Sie schwamm nahe dem Ufer entlang, als sie von einem Mann an Land laut und rüde aufgefordert wurde, zu verschwinden, seinetwegen sich gern zu ertränken. Das ist jetzt unser Bad! Es gehört zum Grundstück, behauptete er.
Andere Zeiten, andere Sitten eben.

Ob es sich Viktor Orbán deshalb überlegt hat? Jedenfalls flog er mit Parteifreunden an die Adria. Und nach allem, was man weiß, kam er ohne Virus zurück, nur den Sprecher seiner Partei hatte es erwischt.

Inzwischen steigt daheim die Zahl der Corona-Infizierten, was zweifellos auch damit zusammenhängt, dass mehr getestet wird. Es sterben aber auch immer mehr Menschen.  Am 16. Oktober war unter ihnen eine hundertzwei Jahre alte Frau. War es Corona?

Das große Hotel Hilton, hoch oben auf dem Burgberg, mit dem schönsten Blick auf die Donau, die Brücken und das Häusermeer dahinter, ist geschlossen. Auch viele kleine Firmen und Geschäfte haben zu. Unterdes steigen die Preise für Lebensmittel; Hilfen für die kleinen Leute gibt es von der Regierung nicht.

Eine gute Nachricht gibt es aber doch: Wie das Statistische Amt in Budapest meldet, haben sich die Preise für Bestattungen nicht erhöht.  Fotos: privat/urlaub-ungarn.hu