Nachrichten aus einem kleinen Land

Unser Autor

Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de, außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com

                                      

                                 Europäische Uni raus – chinesische Uni rein?

Seit Viktor Orbán an die Macht kam, 2010, bekämpfte er den jüdischen ungarisch-amerikanischen Investor George Soros, der 1991 die Central-Europäische-Universität, CEU, mit Sitz in Budapest gegründet hatte. Schließlich vertrieb Orbán die Lehranstalt mit juristischen Tricks – die Stadt Wien nahm sie 2020 mit Handkuss.
Orbáns neue Freunde sind nun allgemein die Chinesen und speziell die Studenten, Professoren und Leiter der Universität Fudan in Shanghai.  
Kein Wunder also, dass Orbán die Uni nach Budapest einlud. Dort darf sie jetzt eine neue Lehranstalt bauen, dazu auch ein ganzes neues Städtchen für die Studenten.

Bürgermeister Gergely Karácsony

Dem beliebten, jungen, einfallsreichen, fahrradfahrenden Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony – und seinen zahlreichen Freunden – gefiel die Idee allerdings
gar nicht. Sie zogen vor wenigen Tagen zu Zehntausenden zur Stelle der geplanten Uni und der Studenten-Stadt, hatten bereits Straßenschilder mit den Namen von in China Verfolgten wie dem Dalai Lama und der Minderheit der Uiguren bei sich und tauschten die Schilder sogleich aus. Der Bürgermeister, der auch gern viel mehr Frauennamen auf den Straßenschildern sehen möchte, darf das. Karácsony lässt sich überhaupt einiges einfallen. Er übernahm den verschlafenen, viel zu teuren Fahrrad-Verleih samt Ständen, der dem einzigen ungarischen Ölhandels-Riesen gehörte (wozu braucht ein Ölhändler einen Fahrradverleih?) und modernisierte, verbilligte, vereinfachte ihn. Tatsächlich läuft das Geschäft seither – wie auf vielen runden Rädern. Der Bürgermeister hat dazu auch die Radwege in der Stadt verbreitern lassen. Nicht zur Freude aller Autofahrer.  
Inzwischen bildete sich eine recht große Gruppe, nicht nur junger Menschen, die Karácsony gern als neuen Ministerpräsidenten feiern  würden. Die Wahl ist im nächsten Jahr.
Dafür rüstet sich aber auch Viktor Orbán: Als ich mir eines Abends traurig-süße portugiesische Fado-Gesänge auf YouTube anhörte, brüllte mich plötzlich aus dem Gerät eine besoffene Stimme auf Ungarisch an: Graue verfallene Häuser. Dreckige Straßen. Arbeitslosigkeit. Überall Bettler. So war es unter den Sozialisten. Bevor Orbán und seine Partei, die Fides, kamen. Wollt ihr das wieder? Nein, das wollen wir nicht!
Kurz: Weltweite Werbung für den amtierenden Ministerpräsidenten. Ob es jemand mag? Mir wurde übel dabei.  Fotos: privat/euronews