Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de, außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com

Über gute Weine – und ein böses Bier

Ungarische Winzer lieferten bereits im 15. Jahrhundert Weine an europäische Kaiser und Könige – und nicht nur den süßen Tokajer. Nach dem zweiten Weltkrieg, während der Diktatur des Proletariats und damit der langen Nacht des Geschmacks in Ost-Europa, rollten die Fässer nach Polen und in die Sowjetunion. Echter Neid konnte bei Kennern nicht aufkommen, denn die staatlichen Kellereien produzierten allein auf Quantität, und obendrein waren die Kenner gar nicht da. Sie kamen erst nach der politischen Wende, 1989, wieder heim. Unter ihnen Tibor Gál www.galtibor.hu , der zuvor für Alexander Baron von Essen in Südafrika das Weingut Capaia aufgebaut und für den toskanischen Marchese Ludovico Antinori den Kultwein Ornellaia kreiert hatte. Und da bekannt war, dass in Ungarn die Lagen, Böden und das Wetter ideal für den Weinbau sind, investierten auch Unternehmer wie die Besitzer der französischen Versicherungsgruppe AXA, denen bereits einige Chateaus rund um Bordeaux gehörten.

Die Einheimischen, zumeist Abkömmlinge der alten Winzer, kamen rasch wieder auf internationales Niveau. Als ich 2007 für ein Buch über die ungarischen Weine im Land recherchierte, schmeckte man bereits die Anstrengung. Heute produzieren sie Weine, die bei Blindverkostungen in Paris, London, Bordeaux und Tokio regelmäßig mit Silber und Goldmedaillen ausgezeichnet werden. Ihre Namen werden mit Ehrfurcht genannt. Eine oder zwei Flaschen Egerer Stierblut von Tibor Gál jun., Winzer in Eger und Sohn des legendären Tibor, krönen ein Festmahl. Ebenso die Erzeugnisse von Bock, Gere und Günzer aus dem besten Rotweingebiet Villány im Süden des Landes.

Die Weine sind nicht billig, aber im europäischen Vergleich recht preiswert. Nicht zuletzt dadurch, dass die meisten Flaschen im Land geleert werden. Andererseits entstehen zumal in Budapest immer mehr Vinotheken (allein 14 in der Innenstadt) mit Englisch sprechenden Verkäufern, die routiniert flugfertige Pakete schnüren können.

Soweit die gute Nachricht.

Es folgt die Geschichte des „bösen“ Bieres: Im Jahr 2004, nach dem EU-Beitritt Ungarns, fanden sich rasch alle europäischen Biersorten in den Regalen der Lebensmittelhändler. Das „Böse“ unter ihnen, mit einem knallroten fünfzackigen Stern, dem Sowjetstern zum Verwechseln ähnlich, hatte Ministerpräsident Orbán bereits 2017 entdeckt. Er war wieder einmal auf der Suche nach etwas „Bösem“, von dem er vermeinte, seine Untertanen retten zu müssen.

Er peitschte ein Gesetz durchs Parlament, das den Hersteller wegen der Verwendung eines Symbols von Totalitarismus und Unterdrückung gar mit Gefängnis bedrohte. Der holländische Brauer Heineken wehrte sich. Er berief sich auf die EU-Vereinbarung des freien Gebrauchs von Firmenzeichen – zumal nach 13 Jahren freundlicher Duldung. Auf Anraten seiner Juristen ließ Orbán das Gesetz unauffällig wieder verschwinden. Er soll nur leise gegrollt haben.

So ist das „böse, kommunistische“ Bier nach wie vor in Ungarn zu kaufen und zu trinken. Ich finde, es schmeckt richtig gut. Foto: privat/Hersteller