Kulin.Kolumne aldiDer Verbraucher fasst sich doch an den Kopf, wenn er diesen mehrfach von Entscheidungsträgern geäußerten Satz hört: „Die Lebensmittel sind zu billig.“ Das klingt erstens wie eine Bezichtigung der Konsumenten, weil sie angeblich nur auf den Preis achten, und es ist auch eine. Seltsam: Wo ein Markt für irgendetwas ist, wird doch immer auch auf den Preis geachtet, oder? So ist das Prinzip. Klingt zweitens danach, dass Lebensmittel allein des Teurerseins wegen teurer werden sollten, denn, so die ärgerliche Begründung, in Nachbarländern, wo für Nahrung zum Teil deutlich mehr bezahlt werden müsse, funktioniere das System doch auch. Dieses eigenartige Argument unterschlägt die Tatsache, dass wir im Ausland vielfach um unsere günstigen Preise beneidet werden. Und handelt es sich, drittens, in Wirklichkeit nicht vielmehr um das Wehklagen der eigentlich doch gut funktionierenden Lebensmittelbranche, die giergeplagt noch mehr und noch mehr Profit machen möchte?

Auch wenn immer wieder gesagt wird, es sei eine typische Marotte des Deutschen, immer auf den Preis zu schielen, sieht die aktuelle Lage doch so aus: Im Moment hackt die Branche auf ALDI herum, weil der Discounter – mal wieder – eine Preissenkungsschlacht eingeläutet hat. Wohlgemerkt, der Konzern und nicht die ALDI-Kunden. Man kann als Verbraucher selbstverständlich auch dort einkaufen, wo man mehr bezahlen muss. Aber warum sollte man denn, wenn die Qualität vor allem von Agrarprodukten in vielen aufgestylten Einkaufswelten nicht besser ist als beim Discounter um die Ecke? Diese Einschätzung drängt sich ja auf, wenn man z. B. die Testergebnisse der Stiftung Warentest verfolgt. Und doch sollte man sich die Frage stellen, wer letztlich den Preis für den Niedrigpreis bezahlt. Die Antwort kennt man: Zum einen die Produzenten, zum anderen die Tiere, wenn es sich um Fleisch, Fisch, Wurst oder Milcherzeugnisse geht. Für Genussmittel wie Kaffee, Schokolade und weitere mehr hat sich längst eine Alternative in Form von Fair-Trade-Produkten durchgesetzt. Warum dann nicht auch faire Weißwurst aus Bayern, faire Eier aus Niedersachsen und faire Milch aus Schleswig-Holstein? Vorausgesetzt natürlich, dass eine verbesserte Tierhaltung auch zu besseren Fleischqualitäten führt und die Landwirte angemessener entlohnt werden. Dann wären höhere Preise nicht nur gerechtfertigt, sondern auch nachvollziehbar und könnten akzeptiert werden.
 
Kulinarik Martin Lagoda_8631Martin Lagoda, ehemaliger Chefredakteur des Magazins Essen & Trinken, arbeitet frei als Journalist und Buchautor. Kontakt über www.snowdon-lagoda.de. Fotos: privat