Kulinarische KolumneDas in der Gastronomie einst kreierte Zauberwort „Regionalität“ hat längst auch den Lebensmittelhandel erreicht. Allerdings führen Produkte, die Label mit anheimelnden Aufschriften wie „Das Beste aus Bayern“ oder „Gutes aus Hessen“ tragen, angesichts der Übermacht global vermarkteter Waren ein sehr überschaubares Nischendasein und müffeln deswegen penetrant nach Greenwashing. Aber lassen wir einmal dahingestellt, ob es sich hier nur um Werbegetöse handelt, weil Marketingexperten erkannt haben wollen, dass Regionales wunderbar die Sehnsucht der Verbraucher nach Verlässlichkeit und Sicherheit bedient – letztlich geht es nur um den Umsatz. Dabei ist nicht überall, wo Region drauf steht, tatsächlich auch Region drin – man vertiefe sich einmal in das Kleingedruckte auf den Verpackungen. Abgesehen davon muss regional Produziertes in qualitativer Hinsicht keinesfalls besser sein als das von weit her Geholte. Und ob die gesamte regionale Wirtschaft davon profitieren kann, wie gern behauptet wird, muss ebenfalls angezweifelt werden. Überhaupt, was ist denn noch oder schon „Region“? Kann man beispielsweise Nordbayern und das vergleichsweise weit entfernte Südbayern noch als eine Region betrachten?

Vor den Toren von Hamburg gibt es ein kleines Dorf, in dem ein Landwirt angefangen hat, seinem Geflügel viel, viel Platz und Auslauf auf reichlich Stroh zu gönnen und ihm auch nicht die sonst üblichen Torturen der Massentierhaltung anzutun. Es geht ihm um die Qualität. Dieser Landwirt hält erklärtermaßen auch viel von Regionalität – kurze Wege, gute Ökobilanz, Vertrauen durch persönliche Kontrollmöglichkeiten usw. Ein Lifestyle-Magazin wurde darauf aufmerksam und veröffentlichte die Adresse des Geflügelanbieters mit dem zutreffenden Hinweis, dass man hier hochwertiges Geflügel kaufen könne. So weit so gut. Kurz darauf aber kam ein Mann, der den Artikel gelesen hatte, mit dem Auto aus Bremen, eigens um Hähnchen zu kaufen (die er auch bekam). Der Landwirt indes war not amused: Wenn jemand Hunderte von Kilometern zum Einkaufen fährt, werde der regionale Gedanke ja wohl auf den Kopf gestellt.
Mit Äpfeln aus Neuseeland oder Gemüse aus Südeuropa geht man sachlich um. Der Begriff Region hingegen hat – leider – etwas Emotionalisierendes. Gerade deshalb gilt: Kritisch bleiben, denn in der Regionalliga wird nach denselben Regeln gespielt wie in den anderen Klassen.
 
Kulinarik Martin Lagoda_8631Martin Lagoda, ehemaliger Chefredakteur des Magazins Essen & Trinken, arbeitet frei als Journalist und Buchautor. Kontakt über www.snowdon-lagoda.de. Fotos: Wikipedia/privat