Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de, außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com

Viel Feind, viel Ehr’. Zu viel Feind kann unangenehm werden. Die Masche ist so alt, dass sie für denkende Menschen schon ärgerlich ist: Hier ist der Feind, dort ist der Feind! Aber keine Angst, ich rette Euch! Lieblingsfeind des ungarischen Ministerpräsidenten ist der ungarisch stämmige amerikanische Unternehmer Georg Soros (mit dessen Stipendium Viktor Orbán in Oxford studiert hat). Außer Soros gab es aber vor drei Jahren auch noch Hochwasser von Donau und Theiß, wogegen die Nation, mit Orbán an der Spitze, einen siegreichen Kampf führte. Dann kamen die Flüchtlinge. Die staatliche Plakataktion, „Die Einwanderer arbeiten nicht – und sie nehmen uns die Arbeit“, war einleuchtend und erfolgreich. Schließlich haben schon die alten Griechen die Xenophobie erfunden und geübt. Ein würdiger Feind war ferner das Heineken Bier mit dem ekelhaften roten Stern auf den Flaschen. Selbst die EU, samt ihren Millionen-Zahlungen, ist für Orbán willkommen als Bösewicht. Die Fabriken der Klubländer lassen preiswert in Ungarn produzieren, und die Handelsfirmen verdienen kräftig an den magyarischen Käufern. „Aber die Union will mehr“, schwant dem Regierungschef: „Ungarns Freiheit und Unabhängigkeit rauben.“ Zudem verteidige sie ihre Außengrenzen nicht ordentlich. Und statt Dank für Orbáns heldenhaften Kampf (auch schon mal mit Fußtritten) gegen Asylanten gibt es Geschimpfe aus Brüssel. Doch der Mann kämpft weiter: Jetzt eben gegen Soros’ „betrügerische“, in New York registrierte und seit 26 Jahren in Budapest tätige Central European University. Keine Argumente und keine Bitten konnten Orbán umstimmen. Das Gesetz, das die Arbeit der CEU unmöglich macht, wurde vom Staatspräsidenten unterschrieben. Und ist somit in Kraft.  

Derweil kocht in Budapest von links bis rechts die Volksseele: 10 000 protestierten gegen den Staatspräsidenten vor seinem Amtssitz. 70 000 gegen die Regierung am Parlament. Selbst die rechte Opposition („Die Rechten“) veröffentlichte Großplakate mit dem Text: „Ihr arbeitet, sie stehlen“, dazu das Bild des Ministerpräsidenten; andere Demonstranten verwandelten Orbáns Plakate: „Stoppt Brüssel“ in „Stoppt Orbán!“
Doch der Ministerpräsident kann sich auf die schweigende Mehrheit verlassen: Als ich meiner Putzfrau von der ersten großen Demonstration für die Freiheit der Universität berichtete, schaute sie mich mit großen Augen an und erkundigte sich: „Was? Wieso? Weshalb? Warum?“ Sie ist eine gute, fleißige Frau – und sie ist nicht allein.
Trotzdem: Die Demonstrationen gehen weiter. Täglich.     
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