IFMit der Rolltreppe zum Dom. Klingt ja erst einmal ziemlich abwegig, oder? Aber wenn man etwa im August Siena besichtigt, ist man dafür ausgesprochen dankbar. Dann sind die Straßen der kleinen Stadt nämlich brechend voll mit Touristen, und es ist heiß und stickig, und es riecht nach schweren Düften und ein bisschen auch nach Moder und feuchten Wänden. Wenn man sich dann den Gang durch die überfüllten Gassen ersparen kann, sollte man das unbedingt tun.

IFAm besten parkt der Siena-Besucher auf dem großen Platz „Stadio Communale“. Von dort hat man schon mal eine grandiose Aussicht auf den beeindruckenden schwarz-weiß-gestreiften Dom und die imposante Basilika San Domenico. Dahinter liegt hoch oben das gigantische „Fortezza Medicea“.
Wer später noch die Kraft hat, sollte hinauf fahren, es besichtigen und die „Enoteca Italiana“ besuchen. Dort gibt es ein Restaurant, eine Bar und einen riesigen Weinkeller, in dem man so gut wie jeden toskanischen Wein finden und probieren kann.
Aber erst mal hinein in die Altstadt, über die „Piazza Gramsci“ und gleich rechts den Hügel hinunter. Unten gluckert – relativ unbemerkt von den Touristenströmen – der Brunnen „Fontebranda“, der ursprünglich um 1080 errichtet und im 13. Jahrhundert umgebaut wurde und der wesentlich zur Wasserversorgung Sienas beitrug. Wie die meisten Wasserbecken in der Stadt ist dieses überdacht und mit Spitzbögen und Zinnen gekrönt, Fontebranda aber ist das berühmteste, denn es wird von dem Dichter des Mittelalters Dante Alighieri in seiner „Göttlichen Komödie“ erwähnt. Von den drei Becken der Fontebranda diente das erste den Menschen als Trinkwasser-Behälter, das zweite zum Tränken der Tiere. Aus dem dritten nutzte man Wasser zum Wäsche waschen, zum Antreiben von Mühlen, zum Bewässern der Felder und für die Handwerksbetriebe der Umgebung.
Ein kleines Stück weiter ist der Eingang zu den Rolltreppen, mit denen man so wunderbar bequem nach oben in die kleinen Sträßchen hinterm Dom gelangt. Dort ist es dann natürlich wieder voll, meist stehen lange Schlangen vor dem Kassenhäuschen.
 
IF IFIFTrotzdem – den Dom muss man sehen. Baubeginn des überwältigenden Gotteshauses aus schwarzem und weißem Marmor war 1229, abgebrochen hat man die Arbeiten zur Erweiterung 1357, als die Pest in Siena wütete. Innen ist der Dom noch großartiger: Die achteckige Kanzel von Niccolò Pisano, die von Löwen gestützt wird, und der Mosaikfußboden, der aus 56 gravierten Marmorplatten mit kunstvollen Intarsien besteht, sind einmalig.

Über den Seitenschiffarkaden kann man die Büsten von 172 Päpsten betrachten, angefangen beim heiligen Petrus bis zu Lucius III., der 1185 starb. Unbedingt anschauen muss man auch die atemberaubende „Piccolomini-Bibliothek“ mit ihren farbintensiven Fresken und der Sammlung von Chorbüchern.
Falls Ihnen jetzt ein bisschen schwindelig vor lauter Schönheit ist, dann nehmen Sie doch gegenüber des Eingangs auf der langen halbhohen Mauer kurz Platz und betrachten einfach die Fassade, ein großartiges Beispiel italienischer Baukunst mit einem romanischen Teil unten und einem gotischen oben.
Sie sitzen übrigens gerade genau am Eingang zum „Ospedale Santa Maria della Scala“, einem Hospiz und Hospital, das bereits 1090 bestand und bis 1990 als Krankenhaus diente. Seit 1993 ist der Palast ein Museum mit faszinierenden Schätzen, Fresken, Gemälden und Skulpturen aus fast tausend Jahren.
Wenn Sie jetzt  Lust auf einen Caffè haben, sollten Sie sich langsam in Richtung der „Piazza del Campo“ durchschlängeln. Gehen Sie durch die Via di Citta, und schauen Sie bei Nr. 89 unbedingt in den Innenhof der „Accademia Musicale Chigiana“, oder noch besser, besichtigen Sie den 800 Jahre alten Palast. Nachdem das Gebäude viele Jahrhunderte in verschiedenem Familienbesitz war, gründete der Kunstliebhaber Guido Chigi Saracini 1923 eine Akademie für klassische Musik und überließ ihr seinen Palazzo mit der gesamten Kunstsammlung von etwa 12.000 Objekten – Gemälden, Skulpturen, Möbeln, Keramiken und Schmuck. Neben Kursen und Meisterklassen gibt es im Palast auch öffentliche Konzerte. Wenn man Glück hat, kann man auf der Steinbank im Innenhof sitzend einer Probe lauschen.
Eine Ecke weiter liegt rechts schon die weltberühmte „Piazza del Campo“, auf der zweimal im Jahr, am 2. Juli und am 16. August, „il Palio“ stattfindet. Das Pferderennen, das Wochen vorher bereits akribisch inszeniert und nachher tagelang gefeiert wird, dauert gerade mal zwei Minuten. Dabei treten jeweils zehn der siebzehn Contraden (Stadtteile) gegen einander an.
 
IFWenn der Platz nicht gerade für das Spektakel gebraucht wird, dann haben Sie ihn für sich – mit Touristen aus aller Welt und ein paar hartgesottenen Italienern. Setzen Sie sich in eins der vielen Cafés, betrachten Sie den in neun Segmente unterteilten, halbrunden, abschüssigen Platz ohne Kirche (!), den auf der Südseite stehenden „Palazzo Communale“ mit seinem 107 Meter hohen Turm – den man auch besteigen kann -, schauen Sie den anderen Besuchern beim Fotografieren, beim Tauben füttern, beim Flirten und beim Staunen zu und genießen Sie einen Caffè oder ein frisches Glas Weißwein nach all den Strapazen.
Auf dem Weg zurück zum Auto empfiehlt sich ein Besuch bei „Morbidi“ (Via Banchi di Sopra 75), denn dort gibt es hausgemachtes Vitello Tonnato und Pasta mit Pesto, Salame und Prosciutto, eingelegte Funghi und handgemachten Pecorino, Panforte und Grappa – also alles, was man für ein Picknick braucht.
Mamma mia, che bello!
 

Fotos: CO