„Mach Dir einen so schönen Plan B, dass Du Dich freust,
wenn Plan A schief geht.“
Die Luxemburger Köchin Lea Linster in Brigitte 2/2019.
Foto: Linster
„Mach Dir einen so schönen Plan B, dass Du Dich freust,
wenn Plan A schief geht.“
Die Luxemburger Köchin Lea Linster in Brigitte 2/2019.
Foto: Linster
Peter Butschkow, der Berliner Zeichner, lebt und arbeitet in Nordfriesland und hat schon weit mehr
als 2 Millionen Bücher, Kalender und unzählige Postkarten verkauft.
Cartoon-Abdruck kostenpflichtig www.butschkow.de
Unser Autor
Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de, außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com
PROTEST, PROTEST, PROTEST!
Wie zwei ehemalige Freunde des ungarischen Ministerpräsidenten immer wieder schmunzelnd berichten, kamen sie zu dritt nach dem Abitur zusammen aus ihrem Dorf nach Budapest. Froh, in der Großstadt zu sein, betranken sie sich und zertrümmerten ihr Zimmer im Studentenheim.
Ich habe die böse Befürchtung, dass Viktor Orbán Ähnliches mit ganz Ungarn im Sinn hat. Ein neuerliches trauriges Beispiel ist das sinnlose „Versklavungsgesetz“ (bis zu 400 Überstunden im Jahr, die innerhalb von drei Jahren bezahlt werden sollen – wenn der Arbeitnehmer bis dahin weder stirbt noch kündigt. Ist eines davon eingetreten, braucht der Unternehmer nicht zu zahlen).
Dagegen protestiert inzwischen das ganze Land. Wie bei einer Veranstaltung im ostungarischen Debrecen der Gewerkschafts-Sprecher einer großen Gummifabrik berichtete, arbeiten er und seine Kollegen täglich bis zu zwölf Stunden, zudem leisten sie Überstunden. Dabei machen sie wegen der Übermüdung Fehler über Fehler: Unfälle, Verletzte, unbrauchbare Maschinen. Das kostet immens viel Geld – und durch das neue Gesetz kann es noch schlimmer werden. So flüchtet, wer nur kann. Selbst ohne die Familie.
Demo in Budapest
Das bemerkenswert Neue in Ungarn: Auch Lehrer und Studenten halten nicht mehr den Mund. Anfang Januar gab es eine Feier in der renommierten Wissenschafts-Uni Eötvös Loránt, kurz ELTE:
Voller Festsaal, viel Prominenz. Eine Professorin begrüßt die verehrten Gäste. Doch kaum hat sie ihren Mund geschlossen, stehen ca. 30 Studenten von ihren (recht früh besetzten) Stühlen in der ersten Reihe auf und skandieren (gut eingeübt, klar, verständlich und laut) ihre Kritik an der Vertreibung der international anerkannten Central Europayen University aus Budapest nach Wien (dort wurde der George-Soros-Stiftung freudig Asyl gewehrt). Anschließend folgten die studentischen Forderungen: Korrekte staatliche Stipendien (in Ungarn nennt man den Gebührenerlass bei Bedürftigkeit „Stipendium“); bewohnbare Studentenheime; echte Hilfen zum Studentenleben. Die Veranstalter beendeten das studentische Intermezzo mit ohrenbetäubender Musik.
Beim Hinausgehen winkten mir drei der (ELTE-) Studenten zu, die ich wenige Tage zuvor bei ihrer Belobigung kennen gelernt hatte. Ihre Dreiergruppe im zweiten Semester Ökonomie war bei einem internationalen Wettbewerb durch mehrere Runden hindurch – Wirtschaftssimulation, Mikroökonomie, Spielelemente, Marktelemente, Benimmökonomie und Umweltökonomie – unter 87 ähnlichen Gruppen aus 32 Ländern auf Platz 1 gelandet. Ob die drei Herren nach ihrem Abschluss in Ungarn bleiben werden?
Und noch eine Demo: In der südungarischen Stadt Szeged wurden kürzlich bei einer Protestveranstaltung Aufnahmen von früheren Reden Orbáns (als er und seine Partei noch in der Opposition waren) vorgespielt. Darunter der Satz: „In einer Demokratie hat das Volk das Recht, eine unwürdige Regierung davon zu jagen.“Der Haken: In Ungarn gibt es keine Demokratie mehr.
Fotos: privat
Meldungen aus einem kleinen Land, Peter Meleghy berichtet aus Ungarn
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Die freiwillige Versklavung – Es reicht, Orban!
Der ungarische Ministerpräsident und Vater der Nation hat im Spätherbst entdeckt, dass seine Untertanen mehr arbeiten, mehr Überstunden machen möchten. Und weil sie dies im eigenen Land nicht können, wandern sie ins Ausland ab.
Das galt es, möglichst schnell zu verhindern. Also ließ er ein neues Gesetz schaffen, das Anfang Dezember etwas knirschend, von Pfiffen und Buhrufen begleitet, im Parlament wenn auch nicht abgesegnet, so doch immerhin angenommen wurde.
Danach können Arbeitnehmer und Arbeitgeber – freiwillig – einen Vertrag schließen. Von da an leiht der Arbeitnehmer seinen Lohn für bis zu 400 Überstunden seinem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber verspricht den Lohn für die Überstunden innerhalb von drei Jahren zurückzuzahlen. Während dieser Zeit ist es für den fleißig arbeitenden und geduldig wartenden Arbeitnehmer allerdings nicht ratsam, zu kündigen. Denn auch das steht im Gesetz: Dann verliert er sein ausgeliehenes Geld. So soll er an die wesentlich besser bezahlten Jobs im westlichen Ausland möglichst gar nicht erst denken. Das Ziel ist ja, die Abwanderung zu stoppen, die gerade unter der Orbán-Regierung steil angestiegen ist.
Die Regierung betont die Freiwilligkeit zwischen den (doch etwas ungleichen) Vertragspartnern. Und viele einfache Arbeiter erkennen die Falle nicht. Dafür spricht die Opposition umso lauter über Versklavung, übers Ausgeliefert-sein an die Gnade einer Firma – und geht auf die Straße. Neu ist, dass viele Studenten aus Solidarität mitmarschieren.
Die Demos waren riesig
Am Samstag, dem 15. Dezember, dauerten die Protestmärsche in Budapest bereits drei Tage. Dabei wurden abwechselnd die verschiedenen Donaubrücken für Autos unpassierbar, was die Fahrer jedoch gelassen hinnahmen. Die Polizei sprühte schon mal Tränengas, es gab Verhaftungen, Geldstrafen, immerhin keine Schlagstöcke.
Offensichtlich hat das „Versklavungs-Gesetz“ die Protestparteien endlich zusammengeführt. Am Sonntag, dem 16. Dezember protestierte schließlich das ganze Land gegen die gesamte Politik der Orbán-Regierung, so auch gegen die Ernennung der Richter an Verwaltungsgerichten durch die Regierung. Andererseits war man für den Anschluss Ungarns an die Europäische Staatsanwaltschaft.
In Budapest zogen ca. 40.000 Menschen vors Parlament. Alle Oppositionsparteien und alle Gewerkschaften waren dabei. Besonders bemerkenswert waren die vielen, insgesamt elf, klugen Reden von Politikerinnen. Die Audi-Gewerkschaft ??? bekundete ihre Solidarität. Aus dem Ausland nahm eine Gruppe teil, die ein Transparent trug: „Wir sind gekommen, um Überstunden machen zu dürfen!“ Es herrschte eine wunderbare Stimmung.
Und selbst in den Provinzstädten protestierten jeweils Hunderte. Motto: Orbán verschwinde! Wir werden keine Sklaven!
Um Mitternacht in den staatlichen Nachrichten im Radio: Kein Wort über die Demonstrationen. Foto: Daily Hungary