Nachrichten aus einem kleinen Land
Unser Kolumnist, der Ungar Péter Pál Meleghy, ist Autor vieler Reiseführer und Kochbücher und schreibt für verschiedene deutsche Zeitschriften. Er lebt in Hamburg und Budapest und betreibt die Website www.ungarnaktuell.de, außerdem die beiden Literaturseiten www.phantastisch-realistische-literatur.de und www.ein-oscar-fuer-hitler.com
DER VERSCHWUNDENE DRITTE GEIGER
In jedem Roma-Quintett gibt es – natürlich – einen tonangebenden Primasch. Er spielt die erste Geige, also die Melodien, Solo-Einlagen, außerdem leitet er die Gruppe. Der zweite Geiger verziert, untermalt das Thema, und beide zusammen sind die musikalische Abteilung des kleinen Orchesters. Stehbass- und Zymbalspieler bilden die Rhythmusgruppe – ergänzt durch den dritten Geiger, der kurze Grundtöne beisteuert und der Musik eine gewisse Würze gibt.
Im Gegensatz zum Jazz, wo jedes Musikstück, meist vom Pianisten, den Mitspielern angesagt wird, beginnt Roma-Musik mit zwei Takten Vorspiel des Primasch. Daraus wissen alle anderen, welches Stück, in welcher Tonart, in welcher Geschwindigkeit dran ist. Einen Dirigenten braucht eine derartige kleine – oft aber sehr feine – Gruppe nicht.…